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Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #17

Zum Decision Game aus Leader’s Digest #17 haben uns 5 Handlungsempfehlungen erreicht. Oberstlt Patrick Hofstetter hat die Einsendungen gesichtet und eine Handlungsempfehlung mit einem Exemplar des Buchs des Monats prämiert.

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss würdigt Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent für Führung und Kommunikation an der ETH Zürich, die diskussionswürdigste Handlungsempfehlung.

Decision Game aus Leader’s Digest #17

Szenario

Gegner

Bei der Annäherung an Checkpoint 37 hatten Sie (1) Kontakt mit einem gegnerischen Beobachtungsposten, der sofort in nordwestlicher Richtung flüchtete.

Kurz nach dieser Begegnung wird klar, dass der Grossteil Ihres Bataillons östlich von Ihnen (2) in den Kampf verwickelt ist und in seinem Vormarsch auf NARROW PASS gestoppt wurde. Von Ihrer Position aus können Sie mehrere gegnerische Maschinengewehrstellungen im Nordosten beobachten. Die Übertragungen auf dem Bataillons-Führungsnetz sind jedoch unklar und erlauben Ihnen keine vollständige Information über den Gegner. Sie gehen jedoch davon aus, dass sich das Hauptgefecht in Richtung der Brücke über den Fluss abspielt.

In Ihrem Sektor haben Sie keine weiteren gegnerischen Kontakte.

Eigene Mittel

Sie sind der Zugführer des 1. Zuges, 1. Kompanie des 3. Marineinfanterie-Bataillons. (1) Zusätzlich zu Ihren 3 Infanteriegruppen haben Sie 2 Maschinengewehrgruppen und 3 Panzerabwehr-Lenkwaffengruppen von der Unterstützungskompanie des Bataillons erhalten.

Auftrag

Ihr Bataillon soll die gegnerischen Streitkräfte in SANCTUARY PLAIN, der Ebene vor SANCTUARY CITY vernichten und hat bereits eine Kompanie per Hubschrauber dorthin gebracht. Da diese Kompanie eingeschlossen wurde, hat das Bataillon beschlossen, einen Entlastungsstoss zu starten, indem es den Durchgang durch die Ebene erzwingt.

In diesem Rahmen hat Ihr Zug den Auftrag erhalten, dem Vorstoss des Bataillons über einen schmalen Fussweg zu folgen, um dessen Flanke zu schützen.

Da das Bataillon bereits im Einsatz ist, hat sich die Situation möglicherweise geändert und erfordert eine Anpassung Ihrer Pläne. Der Funkverkehr lässt Sie vermuten, dass das Bataillon versuchen wird, den Gegner von rechts zu umschliessen.

Umwelt

Es ist 2015 und die Nacht ist hereingebrochen. Der Himmel ist klar und es ist eine Vollmondnacht. Das Gelände südlich von SANCTUARY RIDGE ist uneben und wenig erschlossen, mit dichter Vegetation und einem ausgeprägten Relief. Der Graben, den Sie gerade durchquert haben, ist trocken und steinig, etwa 1,20 m tief und 20 m breit.

Zeitverhältnisse

Beachten Sie die Grafik unten. Sie haben 10 Minuten Zeit, um die Situation zu analysieren und einen 5-Punkte-Befehl zu entwickeln, der den Einsatz Ihrer Unterstützungswaffen und eine Skizze der Stellungen, die Sie einnehmen werden, beinhaltet. Bereiten Sie auch die Kommunikation vor, mit der Sie sich mit der vorgesetzten Stufe austauschen wollen.

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #17

Auf das Tactical Decision Game #17 aus dem Juni-Newsletter haben uns 5 gut ausgearbeitete Lösungen erreicht, was uns sehr freut. Es zeigt, dass letztlich auch eine nicht allzu komplexe Situation eine gute Gelegenheit darstellt, Handlungssicherheit (Command) und Verfahrenssicherheit (Management) zu trainieren.

Ein solches Verfahren ist das (2008 im Rahmen einer Übung der Infanterie-Offiziersschule spontan erfundene) Meldeschema OBAMA, das sich auffällig ausbreitet: 3 von 5 Lösungen haben die geforderte Meldung an die vorgesetzte Stufe nach dem Schema «Opposing Forces – Blue Forces – Auftragserfüllung (ja/nein/wie lange noch) – Massnahmen – Anträge» formuliert. Verfahren fördern Klarheit und Einfachheit, damit wir unsere kognitive Aufmerksamkeit dem relevanten Inhalt, nämlich unserem Handeln widmen können.

In Sachen Inhalt teilen sich die fünf Einsendungen die grundlegende Erkenntnis: der Hauptauftrag des Zuges, namentlich den westlichen Flankenschutz des Bataillons sicherzustellen, gilt nach wie vor. Command erschliesst sich jedoch nicht nur in der optimalen Auftragserfüllung, sondern in der Chancennutzung, die über den Auftrag hinaus gehen kann – insbesondere, wenn sich die Lage verändert hat. Dies ist der Fall, befindet sich doch der Rest unseres Bataillons im Kampf. Aus der eigenen Position können wir damit unsere vorgesetzte Stufe wirkungsvoll entlasten, indem wir die erkannten Maschinengewehr-Stellungen des Gegners und weitere Elemente seines Stosses über Narrow Pass flankierend angreifen.

Dabei bleibt der ursprüngliche Auftrag jedoch bestehen. Wie von mehreren Einsendungen explizit erwähnt wird, deutet gerade das sich zurückziehende gegnerische Aufklärungselement darauf hin, dass der Gegner nach wie vor über den Western Narrow Pass stossen könnte – und wir sind die einzigen Kräfte, die das verhindern können.

Daraus ergibt sich das eigentliche Dilemma: wie viele Kräfte belasse ich für meinen ursprünglichen Auftrag und wie viele Kräfte setze ich für die Chancennutzung ein? Nachgeordnet steht auch der Entscheid an, auf welcher Höhe diese Chancennutzung erfolgen soll: in der Tiefe, entlang des Sanctuary Ridge auf den Narrow Pass hin, näher am Graben, auf die gegnerischen Maschinengewehr-Stellungen ausgerichtet oder gar im Graben selbst in den Raum der Brücke hinein?

Von den fünf Lösungen nehmen drei eine eher konservative Lösung sein, das heisst, sie halten und sichern primär den westlichen Raum, klären im Vorgelände auf und halten sich mit 1 oder 2 Gruppen für einen flankierenden Angriff bereit. Zur Erinnerung bzw. Erklärung für taktisch weniger geschulte Leser: eine Handlung «bereitzuhalten» heisst, diese vorzubereiten, aber noch nicht auszulösen. Dies erfolgt typischerweise auf Befehl des Vorgesetzten, kann aber auch selbständig oder auf ein vereinbartes Ereignis hin erfolgen.

Zwei Lösungen sehen ein proaktives Vorgehen vor, davon eine mit rascher Schwergewichtsbildung und höherem Risiko (nur 1 Infanterie-Gruppe und 1 Maschinengewehr-Trupp für den originären Auftrag, den Rest von Beginn weg für den flankierenden Angriff), und eine mit zeitlicher Staffelung (zunächst mit dem Gros die Anhöhe westliche Sanctuary Ridge nehmen und abriegeln, danach mit dem Gros den flankierenden Gegenangriff lancieren). Da gemäss Beschrieb die beiden Maschinengewehrstellungen von unserer Position aus sichtbar sind und zudem ein rasches Flankieren den Überraschungseffekt massiv verstärken dürfte, würde ich mich persönlich für die rasche Schwergewichtsbildung mit höherem Risiko aussprechen.

Diese Lösung ist auch in der Abbildung dargestellt. Sie stammt von Wm Lucien Stoessel – wir gratulieren zum Sieg und wünschen viel Spass bei der Lektüre von «Organizational Culture and Leadership» von Edgar H. Schein.

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