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Leader's Digest Leader's Digest #12 Newsletter

Update Führung: Dezember 2024

Government Trust in Times of Crisis

[CSS ETHZ, 11/2024, Enzo Nussio]

International crises put governments to the test, forcing decisions that can unite or divide citizens. This article explores how Switzerland’s strong reservoir of public trust in leadership has provided stability, in contrast to the growing dissatisfaction faced by other European nations. This article is available in German, French and English.

Link: https://css.ethz.ch/en/publications/css-analyses-in-security-policy/details.html?id=%2Fg%2Fo%2Fv%2Fe%2Fgovernment_trust_in_times_of_crisisvertr

Wie transformationale und absichtsbasierte Führung die Zielerreichung mittels Auftragstaktik vorantreibt

[stratos, 24.10.2024, Alessandro Rappazzo]

Wie können Führungsstile in einer sich wandelnden Welt erfolgreich angewendet werden? Der Artikel untersucht, wie transformationale und absichtsbasierte Führung die Umsetzung der Auftragstaktik in der Schweizer Armee stärken können. Dabei steht die Balance zwischen Vision und klaren Zielen im Mittelpunkt, um Teams effektiv zu leiten und anzupassen.

Link: https://www.vtg.admin.ch/de/stratos-digital-92

Hast du Angst vor Putin, Kurt Pelda?

[Galladé Podcast, 17.11.2024, Chantal Galladé, Amélie Galladé und Kurt Pelda]

Kurt Pelda, erfahrener Kriegsreporter, gibt in diesem Podcast faszinierende Einblicke in sein Leben und seine Arbeit. Er berichtet von riskanten Einsätzen an der Front, Nahtoderlebnissen und der Herausforderung, zwischen Kriegsgeschehen und Privatleben zu balancieren. Für militärische Führungspersonen ein wertvoller Einblick in den Kriegsalltag und seine Auswirkungen jenseits der Frontlinien.

Link: https://www.galladepodcast.ch/2194649/episodes/16118910-hast-du-angst-vor-putin-kurt-pelda?t=0

Why Leadership Teams Fail – And what to do about it

[Harvard Business Review, 9/2024, Thomas Keil and Marianna Zangrillo]

This article is part of a series and examines the critical role of leadership team health in organizational success, highlighting how dysfunctions within senior teams can significantly hinder strategy execution and morale. Drawing on insights from over 100 CEOs and executives, it identifies three common patterns of dysfunction: shark tanks, petting zoos, and mediocracies and explores effective strategies for addressing them.

Link: https://hbr.org/2024/09/why-leadership-teams-fail

How Russia’s Invasion Flattened a Ukrainian Border City

[bellingcat, 28.10.2024, bellingcat Investigation Team]

An interesting read for military personnel seeking to better understand the impact of ongoing war on civilian cities. This article focuses on the Ukrainian border city of Vovchansk, comparing its conditions before and after the war, and explores how conflict reshapes both the physical environment and the lives of its inhabitants.

Link: https://www.bellingcat.com/news/2024/10/28/how-russias-invasion-flattened-a-ukrainian-border-city/


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via entgegen.

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Leader's Digest Leader's Digest #12 Newsletter

Buch des Monats: «Positive Leadership» von Dr. Markus Ebner

Was ist die Kernaussage des Buches?

Im Grundsatz geht es um den Ansatz von positiver Führung mit der dazugehörigen Auswirkung auf Menschen respektive Mitarbeitende. Neben einigen Grundlagen des positiven Leadership wird das PERMA Lead Konzept beschrieben, inklusive einigen Praxisbeispielen. PERMA steht dabei für «Positive Emotions», «Engagement», «Relationships», «Meaning» und «Accomplishment».

Durch die permanente Arbeit der Führungskraft in diesen Bereichen gelingt es ihr, ein positives Umfeld hinsichtlich High Performance zu gestalten.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Ich bin Fan des «nachhaltigen» Leadership. Natürlich kann auch Bad Leadership erfolgreich sein, dies ist aber nicht mein Weg. Durch die Ausführungen rundum positive Leadership in Verbindung mit PERMA werden einem fünf Dimensionen geöffnet, mit welchen man gemeinsam Ziele mit seinem Umfeld auf positive Art erreichen kann.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein, das Buch ist für mich in sich geschlossen und wissenschaftlich untermauert.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Das Buch richtet sich an alle, welche ihr Umfeld auf eine positive Art verändern wollen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Ich versuche die positive Führung auch in meinen militärischen Alltag einzubauen. Auch wenn mal was nicht klappt – rumschreien und negative Stimmung verbreiten haben sich selten als Mehrwert bestätigt. Durch einen positiven Umgang entstehen Verbindungen, welche allenfalls in einem Ernstfall entscheidend sein können.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Ich würde meinen, dass positive Leadership im Zusammenhang mit PERMA am ehesten auf den Leadership-Bereich einzahlt. Geht es doch dabei primär um den Menschen auf dem Weg zu High Performance.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Schlechte Stimmung wirkt sich negativ auf Vertrauen, Motivation und Arbeitseinstellung aus. Hier ist jeder Leader in der Pflicht. In hierarchischen Organisationen ist aus meiner Sicht die Gefahr von einem Leadership-Stillstand gross, vor allem wenn die eigene Vorstellung vom Vorgesetzten abweicht und eine gewisse Abhängigkeit vorfindet.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Junge Kader lassen sich nicht mehr alles gefallen und verstehen das Verhalten von alten Leadership-Theorien ohne Sinnvermittlung nicht. Dies macht mich zuversichtlich, dass wir auf alle Bereiche positive Akzente setzen können.


Über den Rezensenten

Oberstlt Joël Mattle hat seinen militärischen Einstieg bei den Genietruppen (unter anderem bei den Bootschützen) gefunden und später dann ab Stufe Bataillon den Fokus zu den Rettungstruppen verlegt. So kommandiert er seit diesem Jahr das Rettungsbataillon 4.

2012 hat er den Bachelor in Staatswissenschaften an der ETH Zürich (MILAK) abgeschlossen und hat anschliessend 2022 einen Master in Digital Business an der HWZ erreicht.

Beruflich arbeitet Joël Mattle aktuell als Kommandant Stellvertreter am Kompetenzzentrum Sport der Armee mit einem Fokus auf Sportdoktrin. Er ist verantwortlich für sportify im Departement Verteidigung und arbeitet an zahlreichen Projekten, wie zum Beispiel der Ready App.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #11 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #11

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss würdigt Dr. Florian Demont, Militärethiker an der Dozentur für Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich, die diskussionswürdigste Handlungsempfehlung.

Decision Game aus Leader’s Digest #11

Szenario

Die Schweiz ist im Krieg. Der gross angelegte Einsatz von Drohnen zur Aufklärung und als Kampfmittel ist in jüngeren Konflikten Realität und auch in der Schweizer Armee angekommen. Erste Drohnenschwärme zur Abwehr gegnerischer Drohnenschwärme wurden erfolgreich getestet und eingeführt. Die Armee hat aber weiterhin den Man-in-the-Loop als Grundsatz für den Einsatz autonomer Systeme festgelegt und durchgesetzt.

Nach anhaltenden Cyberangriffen hat der Gegner mit Marschflugkörpern die Höhenradarstationen angegriffen und grösstenteils zerstört. Die Armee hat im Zürcher Oberland Verteidigungsstellungen bezogen und weitreichende akustische und optische Sensoren aufgestellt. Die frontnahen Bodentruppen haben erste Luftangriffe und Drohnenangriffe überstanden. Immer wieder gibt es Überflüge von Aufklärungsdrohnen, die weitreichendes Artilleriefeuer und den Einsatz gegnerischer Kampfdrohnen auf Truppenstandorte und Sensoren ermöglichen. Im Laufe der Kampfhandlungen wurden eigene Drohnen zur Abwehr von Aufklärungs- und Kampfdrohnen eingesetzt, zum Teil erfolgreich. Diese Massnahmen haben jedoch dazu geführt, dass eine grosse gegnerische Kampfdrohne über bewohntem Gebiet abgestürzt ist, was mehrere tote Zivilisten zur Folge hatte.

Die Situation ist nun folgende: Im Kommandoposten des Frontverbands geht der Alarm ein, dass ein Schwarm mittlerer Drohnen im Anflug ist. Der Flugweg ist stark zufällig, was auf eine autonome, auf KI gestützte Steuerung ohne vorgegebenen Kurs hindeutet. Der Soldat, der für den Einsatz der eigenen Drohnenschwärme mit autonomer Suchfunktion durch künstliche Intelligenz zuständig ist, meldet die Einsatzbereitschaft der Drohnen. Er weiss jedoch aus der Ausbildung, dass die Zielgenauigkeit der eigenen Drohnen manchmal stark abweicht. Zeitgleich meldet die drohnengestützte Aufklärung, dass sich gegnerische Bodentruppen auf einen Angriff vorbereiten.

Die Flugbewegungen des gegnerischen Drohnenschwarms sind so unvorhersehbar, dass die Sensoren nur ungenaue Flugvektoren und mögliche Ziele liefern. Der Einsatz der eigenen Flugabwehr ist gegen diese Drohnen problematisch, da sie zu tief und unberechenbar fliegen. Eine virtuelle rote Linie markiert den letzten Moment, ab dem Kollateralschäden und zivile Opfer in der eigenen Bevölkerung nicht mehr ausgeschlossen werden können – und diese rote Linie nähert sich rasch. Der Einsatz des eigenen Drohnenschwarms könnte Kollateralschäden an der Zivilbevölkerung in grenznahen Gebieten verursachen.

Der Kommandant, der den Einsatz des eigenen Drohnenschwarms verantwortet, steht unter massivem Handlungsdruck. Es wäre der erste Einsatz eines autonomen Drohnenschwarms in diesem Konflikt durch die Schweizer Armee. Zudem muss der Kommandant sicherstellen, dass er mit seinen Truppen einen möglichen Bodenangriff abwehren kann.

Fragestellung

  • Wie würden Sie als Kommandant handeln?
  • Wer trägt für den Einsatz von Drohnenschwärmen die Verantwortung?
  • Wie soll mit dem Thema Künstliche Intelligenz umgegangen werden, vor dem Hintergrund, dass andere den Man-out-of-the-Loop genommen haben und auf volle Autonomie von Kampfsystemen setzen?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #10

Zum Decision Game vom November haben uns vier Einsendungen erreicht. Die eingereichten Lösungen zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit der taktischen, ethischen und auch technischen Fragestellung und verdeutlichen die vielschichtige Komplexität der hier vorliegenden Problematik.

Der Kommandant steht vor einer komplexen, vielschichtigen Entscheidung. Wie in den Einsendungen treffend erkannt wurde, umfasst die Situation drei Bedrohungen, die auf den ersten Blick unabhängig voneinander erscheinen: Zum einen der Schwarm mittelgrosser, KI-gesteuerter Drohnen mit unbekanntem Ziel, zum anderen der Angriff durch Bodentruppen. Hinzu kommt die dritte Gefahr, die in den potenziellen Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung liegt.

Der Lösungsvorschlag von Hptm Raphael Iselin sticht dabei durch seine Tiefe und Weitsicht hervor. Er geht über die blosse Entscheidungsfindung hinaus und analysiert die Situation detailliert unter Berücksichtigung von technischen, taktischen und ethischen Gesichtspunkten. Besonders überzeugend ist seine klare Strukturierung verschiedener Szenarien und die sorgfältige Abwägung der Auswirkungen. Seine Überlegungen berücksichtigen nicht nur unmittelbare militärische Notwendigkeiten, sondern auch die längerfristigen Konsequenzen, die durch den Einsatz von Technologie entstehen können.

Hervorzuheben ist auch, wie Iselin die Flexibilität seiner Perspektive betont. Anstatt auf eine starre Entscheidung festgelegt zu sein, bietet er einen Ansatz, der sich an die technischen Möglichkeiten der Drohnen und die taktische Lage anpassen lässt. Die Kombination aus Zurückhaltung im Drohneneinsatz bis zum «last responsible moment» und der Option, Drohnen gezielt zur Verteidigung oder Bodenunterstützung einzusetzen, zeigt ein gutes Mass an Anpassungsfähigkeit. Seine differenzierte Betrachtung der Bedrohungen und seine Fähigkeit, potenzielle Folgen sowohl für Zivilisten als auch für die militärische Effizienz zu antizipieren, machen seinen Vorschlag nicht nur ethisch gerechtfertigt, sondern auch taktisch klug.

Schliesslich überzeugt Iselin durch seine Argumente zur Verantwortung und den ethischen Implikationen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz. Seine klare Position, dass Verantwortung entlang einer transparenten Befehlskette verteilt sein muss, zeigt ein Bewusstsein für die Bedeutung rechtlicher und moralischer Standards. Insgesamt bietet Iselin nicht nur eine Lösung, sondern ein vollständig durchdachtes Konzept, das den Herausforderungen moderner Kriegsführung mit Intelligenz und Integrität begegnet. Durch dieses Zusammenspiel aus Detailliertheit, innovativer Herangehensweise und moralischer Klarheit zeichnen wir ihn erneut mit einem Exemplar von Patrick Lencionis «The Five Dysfunctions of a Team» aus. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern für ihre aktive Beteiligung und die angeregten Einsendungen.

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Leader's Digest Leader's Digest #11 Newsletter

Update Führung: November 2024

Manoeuvre Is Dead – But It Can Be Revived: Overcoming Stalemates By Gaining Competitive Advantage

[The Defence Horizon Journal, 27.10.2024, Patrick Hofstetter, Alan Borioli, Till Flemming]

Technological innovations such as ubiquitous drones have led to a stalemate in the current war in Ukraine. Western observers who see the war of attrition as a disadvantage ask whether it can be transformed into a war of manoeuvre. The authors argue that this is only possible if the West succeeds in exploiting competitive advantage through innovations that are not accessible to or exploitable by opponents. Until this situation is rectified, manoeuvre warfare will remain dead.

Link: https://tdhj.org/blog/post/manoeuvre-innovation/

Seven Reflections of a «Red Commander»

[Army University Press, 09/2024, Ian M. Sullivan]

In this article Ian M. Sullivan, deputy chief of staff, G-2, for the U.S. Army Training and Doctrine Command (TRADOC), shares his reflections on wargaming and what he has learned by playing the «Red Commander». He summarizes his main findings into seven key lessons, insightful for all military leaders and tacticians.

Link: https://www.armyupress.army.mil/Journals/Military-Review/Online-Exclusive/2024-OLE/Red-Commander/

Drones are Transforming the Battlefield in Ukraine but in an Evolutionary Fashion

[War on the Rocks, 05.03.2024, Stacie L. Pettyjohn]

This article highlights the use of drones in the ongoing Ukrainian War, offering a more transparent and clear understanding of their role in modern warfare while also addressing their limitations. It provides valuable insights into current conflict dynamics.

Link: https://warontherocks.com/2024/03/drones-are-transforming-the-battlefield-in-ukraine-but-in-an-evolutionary-fashion/

Moral Coping or Simply Uncomplicated Soldiering? How Soldiers Avoid Moral Injury Through Simplification, Justification, Rationalization, and Compartmentalization

[Armed Forces and Society, 18.04.2023, Tine Molendijk]

This paper explores how 80 formerly deployed Dutch veterans interpret and cope with moral challenges, revealing a middle ground between soldiers avoiding moral conflict and being deeply affected by it. It provides valuable insight into a process of coping with moral trauma and fosters a deeper understanding.

Link: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0095327X231165910

6 Essential Leadership Skills – and How to Develop Them

[Harvard Business Review, 18.10.2024, Rebecca Knight]

This article highlights essential skills for effective leadership in today’s world. While some of these skills may seem straightforward, the article offers valuable opportunities for self-reflection and presents the skills in a clear and concise manner.

Link: https://hbr.org/2024/10/6-essential-leadership-skills-and-how-to-develop-them


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #11 Newsletter

Buch des Monats: «The Five Dysfunctions of a Team» von Patrick Lencioni

Was ist die Kernaussage des Buches?

Der Autor beschreibt offen und direkt, warum auch die talentiertesten Teams nicht ihr volles Potential entwickeln. Er plädiert zu Mut und Ehrlichkeit, um gerade auch schwierige Themen anzusprechen, um gemeinsam wachsen zu können und zum Hochleistungsteam zu werden. Im Buch beschreibt er, wie man Dysfunktionen in Teams entdeckt und wie man sie auflösen kann.

Die fünf Dysfunktionen sind:

  1. Abwesenheit von Vertrauen → Unnahbarkeit, Misstrauen
  2. Angst vor Konflikten → Scheinharmonie
  3. Fehlendes Commitment → Mehrdeutigkeit, Beliebigkeit, Unverbindlichkeit
  4. Mangelnde Verantwortung → niedrige Standards
  5. Unaufmerksamkeit gegenüber Resultaten → Status Quo, Ego

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Dass ich mich in der einen oder anderen Dysfunktionalität wiedergefunden habe. Entweder war ich Teil der Dysfunktionalität oder hatte den Mut nicht, diese anzusprechen und meinen Teil beizutragen. Heute kann ich mein eigenes Auge dafür schärfen.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Das Buch dient mir als Inspiration und als Anhaltspunkt für meine persönliche Reflexion rund um die Weiterentwicklung meines Führungsverständnisses und -verhaltens. Das Buch als Ratgeber zu verstehen und dogmatisch umzusetzen soll jeder für sich entscheiden. Ich stehe kritisch zur unhinterfragten Anwendung von Wissen.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle Menschen, die Teams führen und eine Hochleistungskultur entwickeln. Im militärischen Kontext empfehle ich dies allen Kadern, insbesondere den höheren Kadern in der Entwicklung des persönlichen Führungsstils. Denn dieser beeinflusst wesentlich die Unterstellten und deren Führungsstil.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Beim ersten Wirken als Bataillonskommandant und den ersten Erfahrungen im Stab.

Ein neuer Kommandant bietet immer eine Gelegenheit zum kulturellen Wandel.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch beleuchtet zum wesentlichen Teil den Aspekt Leadership. Ich möchte hier darauf aufmerksam machen, dass wir in diesem Bereich als Kader volle Verantwortung tragen, die Kreativität und die Leistung in unseren Teams zu fördern. Damit führen wir einen militärischen Kulturwandel herbei, womit wir die Kampf- und Kriegstauglichkeit der Truppe wesentlich erhöhen können.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass wir unsere Kader sehr früh und noch gezielter mit dem Thema Leadership in Kontakt bringen, ohne durch zu viel Information mehr Verwirrung zu stiften als Klarheit. Dass wir gerade im hierarchischen Setting eine Kultur fördern, in der Vertrauen und eine offene Streitkultur Schlüssel zum Erfolg ist. Das Selbstverständnis muss zudem von der Ausbildungsarmee hin zum Einsatz. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns zu sehr auf die korrekte Durchführung von Einsatzverfahren konzentrieren, statt auf Chancennutzung und das Gewinnen wollen.

Die Geschwindigkeit des technologischen Wandels und die sich dadurch ständig verändernden Bedrohung zwingen uns zur Maximierung der Flexibilität und zur kreativen Adaptionsfähigkeit. Das schaffen wir, indem wir die Teams so dezentral wie möglich befähigen und ermutigen, zu Hochleistungsteams zu werden. Das Mindset «Kämpfen um zu gewinnen» scheint mir wichtig.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Mit jeder neuen Generation an jungen Führungskräften und zusätzlichem Wissen kommen auch gewisse kulturelle Aspekte und neue Fähigkeiten dieser Generation mit.

Die Transformation hat begonnen.


Über den Rezensenten

Mathias Maurer ist CEO der Swiss Innovation Forces AG, der Innovationseinheit der Schweizer Armee und des VBS. Der gebürtige Berner Oberländer verantwortete zuletzt den Bereich Business Development eines weltweit agierenden Elektronikunternehmens für die Schweiz. Vorher war er als Berufsoffizier an den Inf Schulen 5 in Colombier und an den Inf Schulen 11 in Herisau tätig. In der Miliz dient der ehemalige Kommandant des Inf Bat 56 heute im Kommando Spezialkräfte mit dem Grad Oberstlt i Gst.

Privat beschreibt sich Maurer als Schüler des Lebens mit einem philosophischen Interesse an Leben, Tod und dem Ungewissen. Seine Entspannung und Energie findet er in den Bergen, auf Reisen, in Büchern und in der persönlichen Auseinandersetzung mit der stoischen Philosophie.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #10 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #10

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Diskussion der würdigsten Handlungsempfehlungen durch Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich.

Decision Game aus Leader’s Digest #10

Szenario

Es herrscht Krieg in Europa. Die Schweiz bereitete sich seit Wochen auf eine drohende Invasion vor und blieb vorerst unbeteiligt, doch vor wenigen Tagen wurde der gegnerische Stoss auf BASEL Realität. Grenznahe Stützpunkte nördlich unseres Bataillons konnten dem Gegner bereits grosse Verluste zuführen. Nun gilt es den weiteren Vorstoss des Gegners zu verhindern.

Gegner

Nach dem abgeschlagenen Angriff im Norden reorganisiert der Gegner und wird in wenigen Tagen einen neuen Stoss mit frischen Kräften versuchen. Wir erwarten für unseren Raum als Spitzenelement ein mechanisiertes Bataillon ROT (3x Mechanisierte Kampfgruppe)

1 Mechanisierte Kampfgruppe ROT

  • 1 Zug Radschützenpanzer + 1 Räumungsmittel
  • 1 Zug Panzergrenadiere + 1 Räumungsmitte
  • 1 Kommando Zug + 2 Schützenpanzer
  • 1 Zug Kampfpanzer + 1 Räumungsmittel
  • 1 Zug Aufklärer

Eigene Mittel

Die Kampfmoral ist gut und die Truppe ist zuversichtlich aufgrund der Erfolge im Norden. Nun wurde das Gebirgsinfanteriebataillon 91 herangezogen, um ein Schwergewicht im Raum BASEL zu bilden. Es bleiben wenige Tage, um die Kampfvorbereitungen durchzuführen und das Verteidigungsdispositiv einzuexerzieren.

Die Gebirgsinfanteriekompanie 91/2 ist dazu verstärkt mit einem 8.1cm Minenwerfer- und einem Späherzug.

Die Nachbarverbände, Kompanie 1 und 3, haben den Auftrag, den Gegner Richtung Kreuzung 9123 zu kanalisieren und eine Flankierung durch ihren jeweiligen Raum zu verhindern.

Auftrag

Geb Inf Kp 91/2 (+) verhindert Stoss durch seinen Raum.

Umwelt

Die Bevölkerung im Zentrum der Stadt BASEL ist grösstenteils evakuiert. Verwenden Sie gegebenenfalls www.map.geo.admin.ch, um sich ein genaueres Bild zu machen; bei der zentralen Kreuzung handelt es sich um den BURGFELDERPLATZ.

Zeitverhältnisse

Die meisten Kreuzungen sind durch eine begehbare Kanalisation verbunden. Die Verschiebungszeit über 500m beträgt ca. 10 Min.

Fragestellung

  • Wie haben Sie ihre Züge positioniert?
  • Welchen Auftrag haben Sie Ihren Zügen erteilt?
  • Wie gewährleisten Sie die Widerstandsfähigkeit Ihrer Truppen?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #10

Zum Decision Game vom Oktober haben uns vier Einsendungen erreicht – ein grossartiger Rücklauf auf ein taktisches Problem, mit erfreulichem Resultat: vier verständliche Lösungen mit echten Varianten.

Gemeinsam sind allen Lösungen verschiedene Überlegungen zur Rücklagerung des Minenwerferzugs, zur Ausnutzung der Kanalisation, zum Einexerzieren von Gegenstössen, zum Anlegen von Munitionsdepots etc. Auch wenn diese Aspekte wichtige günstige Voraussetzungen schaffen, werden sie hier nicht weiter diskutiert. Es gilt schlicht, die alten Standards der Armee 95 oder die wiedergewonnenen Erkenntnisse der letzten zwei Jahre umzusetzen. Ich lege deshalb den Fokus in der Beurteilung auf die Verteilung der drei Infanteriezüge.

Zum besseren Vergleich der Unterschiede sei deren räumliche Anordnung von Norden nach Süden und die jeweilige Kampfidee formuliert.

Die erste Lösung «ALFA» (in der Reihenfolge der Einreichung) weist ein 1 – 2-Schema auf: Ein Zug nutzt im Vorgelände bis zur Kreuzung 9123 ab und zieht sich anschliessend als Kompaniereserve zurück; südlich der Kreuzung nützen zwei Züge nebeneinander den Gegner ab und stoppen ihn erst relativ tief im eigenen Raum, auf Höhe BRAUSEBAD–SPALENTOR.

Die zweite Lösung «BRAVO» sieht 1 – 1 – 1 vor, wobei die drei Züge hintereinander im jeweils zugewiesenen Raum den Jagdkampf führen.

Die dritte Lösung «CHARLIE» plant 2 – 1 mit zwei Zügen, die zwei Stützpunktelemente nebeneinander in Front bilden und einem dritten Zug, der als Kompaniereserve für bewegliche Kampfführung zurückgelagert ist.

Die vierte Lösung «DELTA» ist ein 1 – 1 – 1 nebeneinander, mit dem zentralen Zug, der die Kreuzung 9123 sperrt und jeweils einem Zug in der Flanke (davon der rechte mit Raumverantwortung für die Abnützung im Vorgelände).

Von den vier Varianten spreche ich mich persönlich für ALFA aus. Ich teile die Ansicht, dass in der Tiefe des eigenen Raumes die Voraussetzungen besser sind als im Raum der Kreuzung 9123. Würde ich dort meinen zentralen Stützpunkt vorsehen, wäre dem Gegner ein konzentrisches Angreifen relativ einfach gemacht: So gesehen ist der Flankenschutz der Lösung DELTA nachvollziehbar und mir gefällt insbesondere, dass dem Gegner drei Züge nebeneinander präsentiert werden. Damit ist er gezwungen, sich entweder zu verteilen oder Abschnitte zu vernachlässigen, aus denen heraus ich Gegenangriffe führen kann. Allerdings scheint mir so weit vorne das Risiko zu gross. Denn dort ist dem Gegner die Möglichkeit des Auflockerns und Zusammenwirkens entlang von mindestens zwei und bis zu vier Achsen auf die Hauptkreuzung möglich. Ein ähnliches Problem weist meiner Meinung nach die Lösung CHARLIE auf. Das Nebeneinander von zwei Stützpunkten scheint mir sehr zielführend – allerdings auch hier zu weit vorne. BRAVO ist sicher innovativ, indem es anstelle der von der Infanteriedoktrin vorgesehenen Stützpunktlösung auf Jagdkampf mit Raumverantwortung für drei Züge setzt. Nebeneinander würde ich dem noch eine gewisse Chance geben, aber bei einer Anordnung hintereinander erlaube ich es dem Gegner, seine Kraft jeweils auf einen Zug zu konzentrieren – ich mache meine eigene Kompanie zur Salami. Dem gegenüber nutzt ALFA einerseits die Tiefe des eigenen Raumes. Die Auffächerung der Strassen von der Kreuzung 9123 nach Süden ausgehend führt automatisch zu einer Auffächerung der Kräfte des Gegners – oder, falls er sich konzentriert, zu Bewegungsräumen für meine Gegenstösse und sogar Gegenangriffe. In beiden Fällen kann ich Vorteile daraus ziehen, entweder für eine stärker statische oder eine stärker dynamische Kampfführung. Allerdings würde ich dies noch konsequenter tun und alle drei Züge nebeneinander aufstellen, etwa auf der Linie ALLSCHWILERPLATZ–PUNKT 276 (oder BRAUSEBAD)–SPALENTOR. Das eigene Vorgelände kann getrost dem Späherzug überlassen werden, der mit seinen sechs Gruppen in einer ersten Phase das Schwergewicht des Gegners erkennt und in einer zweiten Phase, sobald der Gegner auf der Stützpunktlinie aufgelaufen ist, den Gegner abnützt und das Minenwerferfeuer auf den aufgelaufenen und damit zum Absitzen gezwungenen Gegner leitet.

Die Lösung ALFA scheint mir diesen Gesichtspunkten zu grossen Teilen Rechnung zu tragen. Zudem kann durchaus argumentiert werden, dass der Gegner sein Vorgehen wohl auf die Hauptachsen Richtung BRAUSEBAD respektive SPALENTOR beschränkt, womit der Raum ALLSCHWILERPLATZ dem dritten Zug als Bereitstellung für Gegenangriffe dienen kann, was dann vollends der Lösung ALFA entspricht. In jedem Fall hat der Autor, Hptm Robin Wehrle, seinen Preis redlich verdient: wir gratulieren zum Sieg und einem Exemplar von «How to Think Like an Officer» von Reed Robert Bonadonna.

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Leader's Digest Leader's Digest #9 Newsletter

Update Führung: Oktober 2024

Ukraine and the Problem of Restoring Maneuver in Contemporary War

[ISW Press, 12.08.2024, Frederick W. Kagan, Kimberly Kagan and others]

A new analysis of Ukraine’s ongoing Kursk Campaign reveals how this war is setting the stage for future conflicts. Despite Russia’s capacity to observe Ukrainian forces, Ukraine managed to achieve operational surprise, underscoring that maneuver warfare remains viable even in highly monitored battlefields. The report highlights Ukraine’s ability to capitalize on technological innovation and exploit gaps in Russian defenses, offering key strategies for breaking stalemates. It explores the broader implications of emerging technologies like drones, electronic warfare, and missile defense systems, which are quickly evolving and will probably shape future warfare.

Link: https://www.understandingwar.org/backgrounder/ukraine-and-problem-restoring-maneuver-contemporary-war

How Russia and Ukraine Tracks Mobile Phones on the Battlefield

[Commsrisk, 26.02.2024, Eric Priezkalns, Cathal Mc Daid]

A report by Cathal Mc Daid, VP of Technology at Enea, explores the various methods Russia and Ukraine are using to track mobile phones on the battlefield. The report identifies three key tracking techniques—radio, network, and device-enabled—each broken down into several subtypes. It highlights the significant risks mobile phones pose to soldiers in war zones, offering crucial advice on how to minimize exposure. Additionally, the study emphasizes the broader implications for military communication, pointing out that even advanced nations may not have invested enough in secure systems to protect their forces.

Link: https://commsrisk.com/how-russia-and-ukraine-tracks-mobile-phones-on-the-battlefield/

Wolfgang Bauer – Kriegsreporter: «Ich bin ein totaler Angsthase.»

[Im Gespräch, 27.06.2024, Katrin Heise, Wolfgang Bauer]

Der Journalist Wolfgang Bauer berichtet aus Ländern wie Afghanistan, Syrien und der Ukraine. Für ihn ist es essenziell, als direkter Augenzeuge aus Krisen- und Kriegsgebieten zu berichten. Er spricht über persönliche Erkenntnisse, liefert faszinierende Einblicke und zeigt eine etwas andere Perspektive auf. Der Podcast eignet sich ideal, um den eigenen Horizont zu erweitern und sich intensiver mit den komplexen Themen rund um Krisengebiete auseinanderzusetzen.

Link: https://open.spotify.com/episode/66QisjyxXnJFhwK2r3RHuQ

How to avoid groupthink on your team

[Atlassian, 02.11.2023, Kat Boogaard]

This article is great introduction to the concept of groupthink and allows one to reflect on its potential consequences. It provides valuable insights on how to recognize groupthink and offers strategies to counteract it, promoting a culture of critical thinking. Understanding this phenomenon can be beneficial for leaders, especially in organizations with traditionally strong hierarchies, such as the armed forces.

Link: https://www.atlassian.com/blog/teamwork/groupthink


Über das «Update Führung»

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Leader's Digest Leader's Digest #10 Newsletter

Buch des Monats: «How to Think Like an Officer: Lessons in Learning and Leadership for Soldiers and Other Citizens» von Reed Bonadonna

Was ist die Kernaussage des Buches?

There is one right even more important than the right to send men to their deaths; the right to think twice before you send men to their deaths.

Vasily Grossman

Dem Leser wird unmissverständlich vor Augen geführt was ein Offizier mit seinem Handeln verantwortet und welche Fähigkeiten dazu nötig sind. Die Verantwortlichkeit aller Führungsstufen ist entscheidend im Kampf – wir führen Menschen.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Das Buch ist in zwei Hauptkapitel unterteilt. Das Denken und Führen eines Offiziers steht im ersten Hauptkapitel im Zentrum. Das zweite Hauptkapitel beschreibt den Offizier als Organisator, Krieger oder Visionär. Ob junger Leutnant oder erfahrener Höherer Stabsoffizier, das Buch ist inspirierend und bereichernd.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein, das Buch ist für mich wirklich in sich geschlossen.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Aus meiner Sicht sollte dieses Buch eine Pflichtlektüre für jeden Offizier sein.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Mit meinen Entscheiden als Kommandant einer Mechanisierten Brigade setze ich Menschen in Übungen (und Einsätzen) stets grossen Risiken aus. Mein Denken und meine persönliche Reflexion muss ich mit Offizieren spiegeln, denen ich vertraue und die mir die «Wahrheit» fundiert erklären – auch wenn ich das nicht immer hören will: Denken im Team, entscheiden als Kommandant.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch zeigt unmissverständlich auf, wie Command und Leadership, aber auch Management zusammenwirken: «To think well, an officer has to love what she does» (S. 185).

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Aus meiner Sicht muss das Bewusstsein zur Befähigung von Command und Leadership im Zentrum der Ausbildung unserer Offiziere stehen.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Im Erleben und Vorleben von Command und Leadership auf allen Führungsstufen unserer Armee.


Über den Rezensenten

Brigadier Christoph Roduner kommandiert seit 2023 die Mechanisierte Brigade 11. Zuvor war er während 22 Jahren als Berufsoffizier in verschiedenen Funktionen tätig, unter anderem als Kommandant der Infanterieoffiziersschule in Colombier und Liestal. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. In seiner Freizeit hält er Körper und Geist mit Sport und Büchern fit.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #9 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #9

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Würdigung der eingegangenen Handlungsempfehlung durch Dr. phil. Florian Demont, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich mit einem Schwerpunkt in Militärethik.

Decision Game aus Leader’s Digest #9

Szenario

Glauben und Wissen

Der Oberleutnant Güldenstern sass kurz vor Mittag geduckt auf dem staubigen Boden des Hinterhofs, eingeschlossen von der Fassade eines stillgelegten Cafés und der schlichten Mauer einer Bäckerei. Seit drei Monaten, seit die Kampfhandlungen das Dorf erreicht haben, lag das Viertel im Stillstand, gehüllt in die Schatten einer Vergangenheit, die der ausländische Besitzer des Cafés mit sich in seine Heimat genommen hatte. Der Oberleutnant, die Beine eng an sich gezogen, die Ellbogen schwer auf seinen Knien, verbarg sein Gesicht in den Händen. Sein Haar, obwohl noch halbwegs gekämmt, zeigte Spuren der Verwahrlosung – ein stilles Zeugnis der verlorenen Normalität.

In seiner Versunkenheit bemerkte er nicht, wie sich die junge Frau, eine Angestellte der Bäckerei, leise in den Hof schlich, eine Zigarette zwischen den Lippen. Das plötzliche Knacken eines Zippo-Feuerzeugs durchschnitt die Stille. Überrascht hob er den Kopf, sein Blick fiel auf die Frau, die mit einer unbeschwerten Geste ihm eine Zigarette anbot. «Willst du mit mir eins rauchen?», fragte sie, ihre Stimme ein sanfter Kontrast zu dem Gewicht seiner Gedanken. Müde, erschöpft winkte er ab, doch ihre nächste Frage, ob es ihn störe, wenn sie sich zu ihm setze, bejahte er mit einem müden Nicken.

Während sie sich neben ihn niederliess, entbrannte ein Gespräch über die Kriegslage, ihre Worte flossen mit einer Mischung aus Hoffnung und Resignation. «Nach fünf Tagen ohne Kämpfe, Bomben und Minenfeuer – vielleicht ist das Schlimmste vorbei. Ich glaube, dass das Schlimmste vorbei ist” sinnierte sie, während sie tief an ihrer Zigarette zog. «Ich überlege, ins Landesinnere zu fliehen, wie so viele andere. Doch mein Chef will die Bäckerei weiter betreiben. Ihr habt die letzten Angriffe abgewehrt, das gibt mir Hoffnung.»

Der Oberleutnant, seine Augen weit geöffnet in der Dunkelheit des Hofs, schüttelte langsam den Kopf. «Ich weiss es nicht», gestand er, seine Stimme rauh vor Sorge. «Ich befürchte, dass der nächste Schlag bevorsteht. Unsere Kampfkraft ist auf dreissig Prozent gesunken. Wir haben zu viele verloren… zu viele gefallen… und die Munition ist fast aufgebraucht.»

Die junge Frau zog nachdenklich an ihrer Zigarette, strich sich das Haar aus dem Gesicht und liess dann beiläufig fallen, dass Frau Leuzinger, die Kindergärtnerin, gestern nach fünf Tagen an ihren Verletzungen erlegen ist. «Sie wollte Material aus dem Kindergarten holen, als der Angriff kam. Eine Mörsergranate…» Ihre Stimme brach. «Es ist schlimm, was wir erleben.»

«Frau Leuzinger?», wiederholte der Oberleutnant leise. Als sie nickte, liess er den Kopf sinken. «Ja, es ist schlimm. Manchmal frage ich mich, ob das alles noch einen Sinn hat.»

Sie sah ihn direkt an, ihre Augen fest entschlossen. «Ihr habt bis jetzt tapfer gekämpft. Wir müssen an uns glauben.»

Er starrte ins Leere. «Je grösser der Glaube, desto geringer das Wissen», murmelte er schliesslich. «Und ich weiss wirklich nicht, ob wir den Feind noch aufhalten können.»

In diesem Hinterhof, umgeben von den Geistern eines ruhenden Cafés und der Düsternis des Krieges, schwelte nicht nur die Glut ihrer Zigaretten, sondern auch die letzte Glut der Hoffnung – düster und ungewiss.

Mensch sein

Oberleutnant Güldenstern sass in seinem düsteren Zimmer im Gasthof zum Weissen Kreuz, umgeben von verstreuten Papieren und dem zerbrochenen iPad, das ihm als letztes Bindeglied zur Aussenwelt diente. Das Display, durchzogen von Rissen, spiegelte die zersplitterte Realität seines Kommandos wider. Die Nachrichten, die er mühselig entzifferte, waren vom Chef Operationen des Bataillons, Major Kramer, der keine Milde in seiner Stimme kannte, als er Güldenstern in einem kürzlichen scharfen Telefonat zurechtwies.

«Güldenstern, hinterfrag jetzt nicht deinen Auftrag. Du hast einen Befehl und der Befehl ist, deine Kompanie sperrt die Achse. Und das bis zum letzten Mann. Verdammt nochmal! Keinen Schritt zurück!», hatte Kramer forsch befohlen, als wäre die Entschlossenheit seiner Worte allein genug, um die Wirklichkeit zu biegen. «Sei etwas kreativ, verdammt nochmal!» Dieser Befehl hallte nun in Güldensterns Gedanken wider, während er aus dem Fenster auf die verlassenen Strassen blickte.

Draussen ging das Leben weiter, auch wenn es für manche ein Leben auf der Flucht war. Ein Vater packte seinen Skoda mit Koffern, während ein kleines Mädchen einen grossen Teddybär herbeitrug, ein stummer Zeuge der Zerrissenheit, die diesen Ort beherrschte. Die Mutter, das Gesicht vom Weinen gezeichnet, trug ein weiteres Kind. Güldenstern beobachtete sie, wie sie schliesslich davonzogen, Richtung einer vermeintlich sichereren Umgebung im Landesinnern.

Zurück in der Einsamkeit seines Zimmers begann Güldenstern, den Sinn seiner Mission zu hinterfragen. Die Forderungen von Major Kramer, die Achse um jeden Preis zu halten, klangen in seinen Ohren nach, während er die letzte Korrespondenz nochmals durchging. Die Aussichten waren düster; der Feind schien sich zu verstärken, und die eigenen Ressourcen schwanden zusehends. «Alles andere ist mir scheissegal», hatte Kramer gesagt. Aber für Güldenstern war es das nicht. Die Opfer, die Kämpfe, die kleinen und grossen Tragödien – sie waren nicht egal.

In einem Moment der Stille, unterbrochen nur durch das Knistern des alten Holzbodens unter seinen Füssen, spürte Güldenstern die Last der Verantwortung. Er wusste, dass jeder Befehl, den er gab, das Potenzial hatte, Leben zu kosten oder zu retten. Die Zweifel, die langsam in ihm aufkeimten, waren subtil, doch in der Stille seines Zimmers wurden sie lauter. Wie lange noch konnte er einen sinnvollen Kampf führen, wenn die Bedingungen so hoffnungslos waren? Wann war der Punkt erreicht, an dem die Verteidigung nicht mehr nur eine militärische Aufgabe, sondern eine Frage der Menschlichkeit wurde?

Er griff nach dem Telefon, entschlossen, noch einmal mit Kramer zu sprechen, obwohl er wusste, dass es wenig ändern würde. Doch in diesem Moment zögerte er. Sein Blick fiel erneut auf das Fenster, durch das er die Familie hatte fortziehen sehen. Die Entscheidung, zu kämpfen oder nicht, war mehr als eine taktische Überlegung; es war eine ethische Frage, die tief in das Herz dessen schnitt, was es bedeutete, Befehle zu befolgen und zugleich Mensch zu sein.

Mit einem tiefen Atemzug legte Güldenstern den Hörer wieder auf. Die Nacht zog auf, und mit ihr kam die Ungewissheit. Aber in dieser Ungewissheit lag auch eine Art Klarheit. Vielleicht, dachte er, lag die wahre Herausforderung nicht darin, die Achse zu halten, sondern zu entscheiden, wann der Preis für die Verteidigung zu hoch wurde.

Wahrheit

Genau um 06.00 Uhr, wie jeden Morgen, sofern nicht die Umstände des Krieges es verhinderten, nahm Oberleutnant Güldenstern eine kalte Dusche. Vor dieser morgendlichen Erfrischung absolvierte er jedoch einen 45-minütigen Lauf und einige körperliche Übungen im Morgengrauen. Diese täglichen Rituale waren für ihn nicht nur eine Frage der Körperhygiene, sondern bildeten ein festes Bollwerk gegen das umgebende Chaos. Sie verliehen ihm das Gefühl einer gewissen Normalität, einer Ordnung, die er dringend benötigte, um die Zerrissenheit der Welt ausserhalb seines Kommandopostens zu bewältigen. Mit dieser Routine gab er sich die Kraft, dem Unvorhersehbaren des Tages entgegenzutreten.

Nach dem Laufen und den Übungen, noch unter der kalten Dusche stehend, überdachte Güldenstern, was er beim Kompanierapport, der in knapp zwei Stunde anstand, verkünden sollte. Er hoffte inständig auf gute Nachrichten von Major Kramer, darauf, dass endlich die versprochene Verstärkung unterwegs sei. Doch als er, nach dem Duschen, in sein Zimmer zurückkehrte, um dort sein spartanisches Frühstück zu sich zu nehmen – drei leicht gekochte Eier und eine Tasse Filterkaffee –, fand er auf seinem iPad nichts Ermutigendes. Keine neuen Nachrichten vom Bataillon, nur die düstere Bestätigung der Aufklärer und Nachrichtendienste, dass ein gegnerischer Angriff innerhalb der nächsten 36 Stunden erwartet wurde. Die Befehle waren unverändert, der Druck ungemindert.

Widerstrebend öffnete er einige Online-Zeitungen, ein Ritual, das er sich fast abgewöhnt hatte. Die Schlagzeilen sprachen von der Flucht der Zivilbevölkerung ins Landesinnere, von bevorstehenden Angriffen und mutmasslichen Kriegsverbrechen des Feindes. Politiker warfen Durchhalteparolen in den Raum, und es gab die üblichen heroischen Geschichten von tapfer kämpfenden Schweizer Soldaten – Erzählungen, die Güldenstern mittlerweile mehr zynisch als inspirierend empfand.

Er schloss das iPad mit einer fast resignierenden Geste. Die Nachrichten änderten nichts an der Realität seiner Kompanie, nichts an dem unmittelbaren Druck, den seine Männer spürten, und nichts an der schwindenden Hoffnung, die er täglich in ihren Augen sah. Güldenstern war klar geworden, dass seine Welt, der kleine Ausschnitt an Realität, für den er verantwortlich war, der einzige Bereich war, den er beeinflussen konnte. Alles andere war nur Rauschen, das ihn von seiner eigentlichen Aufgabe ablenkte.

Mit festem Schritt und einer schweren Last auf seinen Schultern machte er sich auf den Weg zum Rapport. Dort würde er seinen Männern gegenübertreten, die auf Führung und Hoffnung warteten, auch wenn beides immer schwerer zu vermitteln war. Güldenstern wusste, dass er ihnen die Wahrheit schuldete, so düster sie auch sein mochte.

Pflicht gegenüber wem?

Pünktlich um 8 Uhr begann der Rapport der Infanteriekompanie in dem behelfsmässig eingerichteten Kommandoposten, tief im Keller einer alten Giesserei. Der Besitzer, selbst ehemaliger Feldwebel, hatte diesen Ort zur Verfügung gestellt und unterstützte, wo er nur konnte. In den kalten, mit Echos gefüllten Hallen richtete Oberleutnant Güldenstern das Wort an seine Offiziere. «Nehmen Sie Platz, meine Herren», sagte er mit einer Stimme, die Stärke projizieren sollte, jedoch von der Last der Verantwortung gezeichnet war.

Er berichtete über die Lage, während die tristen Blicke seiner Zugführer ihm gegenübersassen. «Der Auftrag bleibt derselbe. Wir müssen die Achse sperren und einen gegnerischen Durchbruch hier verhindern», erklärte Güldenstern, doch die Skepsis in den Augen seiner Männer war unübersehbar.

Leutnant Rohner, sichtlich angespannt, brach das Schweigen. «Güldenstern, bekommen wir Munition? Bekommen wir Verstärkung? Wie sollen wir hier verteidigen, wie sollen wir hier sperren? Ich habe keine Männer mehr. Mein Zug besteht noch aus neun Soldaten.»

Güldenstern überlegte kurz, ein schwerer Seufzer entwich ihm. «Ja, wir werden die Soldaten etwas aufteilen. Wir müssen die Züge ausgleichen.» Doch als er begann, seine Pläne darzulegen, wie die verbliebenen Soldaten umverteilt werden sollten, erkannten alle die Absurdität der Situation. Steffen, einer der erfahreneren Offiziere, schüttelte resigniert den Kopf. «Das ist absurd, Güldenstern. Wir können noch so viel hin und her schieben. Wir könnten sogar die Küchenmannschaft bewaffnen, aber was bringt das?»

Leutnant Zysset fügte hinzu, halb im Scherz, halb in Verzweiflung: «Vielleicht finden wir ja noch ein paar Leute im Dorf, die uns helfen, sich zu verteidigen. Vielleicht hat noch jemand ein Sturmgewehr zu Hause.»

Güldenstern strich sich mit Daumen und Zeigfinger über die geschlossenen Augen und schwieg einen Moment. «Wir haben einen Befehl, einen Auftrag», sagte er schliesslich, die Worte schmeckten bitter in seinem Mund.

Steffen antwortete darauf, die Stimme voller Sorge: «Aber was bringt es, wenn wir den Auftrag nicht erfüllen können? Wenn wir wissen, dass wir den Auftrag nicht erfüllen können? Alles was wir tun, ist Leben zu vergeuden. Für was?”

In diesem Moment ergriff der jüngste der Offiziere, Leutnant Bregi, das Wort. Seine Stimme war fest, durchdrungen von einer fast naiven Entschlossenheit. «Meine Herren, wir haben eine Pflicht. Es ist unsere Pflicht, zu kämpfen. Was immer es heissen will. Bis zu jedem letzten Blutstropfen. Das sind wir unserem Vaterland schuldig.»

Die Stille, die darauffolgte, war erdrückend. Alle Augen richteten sich auf Güldenstern, der nach den richtigen Worten rang. Schliesslich stellte er eine Frage in den Raum, eine Frage, die mehr an sich selbst oder an eine höhere Macht gerichtet schien als an seine Männer. «Bis wann ist Verteidigung ethisch noch vertretbar? Bis wann ist der Kampf ethisch noch vertretbar? Bis wann ist es ethisch vertretbar Opfer zu erbringen? Wem sind wir verpflichtet? Unseren Vorgesetzten? Unseren Mitmenschen? Unserem Gewissen?»

Dann stand er auf, seine Gestalt etwas gebeugt unter der Last der unsichtbaren Bürde. «Meine Herren, ich muss mich zurückziehen. Lassen Sie uns in einer Stunde noch einmal zusammenkommen. Ich brauche Zeit für mich.» Mit diesen Worten verliess er den Raum, hinterliess seine Offiziere in einer Atmosphäre der Unsicherheit und des Zweifels.

Fragestellung

  • Bis wann ist Verteidigung ethisch noch vertretbar?
  • Bis wann ist der Kampf ethisch noch vertretbar?
  • Bis wann ist es ethisch vertretbar Opfer zu erbringen?
  • Wem sind wir verpflichtet? Unseren Vorgesetzten? Unseren Mitmenschen? Unserem Gewissen?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #9

Zum Decision Game vom September haben uns vier Einsendungen erreicht. Die eingereichten Lösungen zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit der moralischen und politischen Fragestellung und verdeutlichen die vielschichtige Komplexität der hier vorliegenden Problematik.

Oberleutnant Güldenstern steht vor einem klassischen moralischen Dilemma, bei dem er entscheiden muss, ob er einen militärischen Befehl ausführt, der das Leben seiner Soldaten aufs Spiel setzt, oder ob er den Befehl verweigert, was ihn persönlich (Kriegsgericht, Schande) sowie kollektiv (militärischer Misserfolg) in erhebliche Schwierigkeiten bringt. Es geht um die Abwägung von Gehorsam und moralischer Verantwortung, besonders im Hinblick auf die ethischen Prinzipien, die den Schutz des Lebens und die Pflicht zur Durchführung eines militärischen Auftrags betreffen.

Ethische Prinzipien und Theorien

Die ethische Analyse kann auf verschiedene theoretische Grundlagen zurückgreifen, wobei zwei Hauptansätze von Bedeutung sind:

  • Die traditionelle Theorie des gerechten Krieges und das darauf basierende Völkerrecht bieten klare normative Rahmenbedingungen für den Krieg, wobei Prinzipien wie Verhältnismässigkeit, letzte Möglichkeit und legitime Autorität eine zentrale Rolle spielen. Nach diesem Ansatz hat Güldenstern die Pflicht, den Befehl seiner Vorgesetzten zu befolgen, solange diese Prinzipien nicht offensichtlich verletzt werden.
  • Revisionistische Ansätze wie die von Jeff McMahan stellen diese herkömmlichen Annahmen in Frage und betonen, dass individuelle Soldaten die moralische Pflicht haben, Aufträge und Befehle zu hinterfragen und zu beurteilen, ob sie gerechtfertigt sind. Hier wird die individuelle moralische Verantwortung betont, selbst in hierarchischen Strukturen, was bedeutet, dass Güldenstern trotz seines Ranges und seiner Pflichten möglicherweise zu der Schlussfolgerung gelangen könnte, dass die Verweigerung ethisch geboten ist.

Moralische und politische Legitimität

Ein zentrales ethisches Spannungsfeld besteht zwischen moralischer und politischer Legitimität. Politische Legitimität verweist auf die Anerkennung von Befehlen und Strukturen, die von einem politischen Mandat abgeleitet werden, das nach legitimen demokratischen Prozessen ins Leben gerufen wurde. Moralische Legitimität stellt den Schutz grundlegender ethischer Werte wie Menschenwürde ins Zentrum. Für Güldenstern stellt sich die Frage, ob sein Befehl, die Achse um jeden Preis zu verteidigen, moralisch legitim ist, selbst wenn er politisch und institutionell gedeckt ist. Hat Güldenstern das moralische Recht oder sogar die Pflicht, seine eigene Autonomie über die Aufträge und Befehle der Institution zu stellen, um das Leben seiner Soldaten zu schützen?

Militärische Hierarchie und Disziplin

Die militärische Hierarchie stellt eine strukturelle Einschränkung der individuellen Autonomie dar. Güldenstern ist in einem System, das Disziplin und Auftragstreue verlangt. Er muss möglicherweise unmoralische Handlungen ausführen, weil das System sie von ihm verlangt. Doch eine bewusste Entscheidung, einen Befehl zu missachten, setzt ihn erheblichen persönlichen Konsequenzen aus, wie dem Risiko eines Kriegsgerichts.

Hypothetisch betrachtet: Was passiert, wenn Güldenstern den Befehl verweigert?

  • Szenario 1: Die Kompanie zieht sich zurück, was viele (Soldaten-) Leben retten könnte, aber dies könnte zu einem militärischen Misserfolg führen und Güldenstern könnte wegen Befehlsverweigerung verurteilt werden.
  • Szenario 2: Güldenstern folgt dem Befehl, was zu schweren Verlusten unter den Soldaten führt. Zudem wird der militärische Auftrag wahrscheinlich nicht erfüllt. Die Frage bleibt, ob so ein Himmelfahrtskommando moralisch vertretbar wäre.

Moralischer Mut

Eine weitere Dimension ist der Mut. Güldenstern könnte die Entscheidung treffen, aus moralischem Mut den Befehl zu verweigern, obwohl er weiss, dass dies schwerwiegende Konsequenzen für ihn haben könnte. Die Frage ist, ob es vertretbar ist, persönliches Risiko einzugehen, um das Richtige zu tun, wenn dies das Leben anderer schützen kann. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass das kein ethisches Dilemma ist, sondern schlicht eine Frage der Persönlichkeit und des Vorbilds.

Perspektive der Soldaten

Die Soldaten von Güldenstern, wie Leutnant Bregi, stehen vor ähnlichen ethischen Fragen. Sollen sie ihm folgen, auch wenn sie die Sinnhaftigkeit des Befehls von Güldenstern in Frage stellen? Die revisionistische Theorie des gerechten Krieges betont, dass auch niedrigere Ränge eine moralische Verantwortung haben, Befehle zu prüfen. Dies wirft die Frage auf, wie realistisch es ist, dass Soldaten in stressbeladenen Situationen diese ethischen Überlegungen tatsächlich umsetzen können. Ausserdem ist es fraglich, ob sich Soldaten an Befehle von Vorgesetzten halten werden, die sich selber nicht an Aufträge und Befehle halten.

Stress, Emotionen und Unsicherheit

Die praktischen Herausforderungen bei der Anwendung ethischer Prinzipien in extrem stressigen militärischen Situationen sind nicht zu unterschätzen. Emotionen, Stress und die Unsicherheit der Lage können die Fähigkeit zur rationalen ethischen Reflexion erheblich beeinträchtigen. In einem militärischen Kontext, in dem Entscheidungen in Extremsituationen getroffen werden müssen, kann die Umsetzung abstrakter ethischer Theorien wie der des gerechten Krieges schwierig bis unmöglich sein – und zwar selbst dann, wenn das bis zu einem gewissen Grad trainiert wurde.

Einfluss der öffentlichen Meinung

Güldenstern und seine Soldaten könnten durch zivile Medien und die öffentliche Meinung beeinflusst werden. Der Druck, als «Helden» wahrgenommen zu werden, oder die Erwartung, das Vaterland zu verteidigen, könnte die Entscheidungsfindung erheblich beeinflussen. Diese externen Einflüsse erschweren die Abgrenzung zwischen ethisch richtigen Entscheidungen und solchen, die durch soziale Erwartungen verzerrt werden. Ausserdem hat die öffentliche Meinung in einer Demokratie auch in Kriegszeiten Einfluss darauf, was als politisch legitim gelten darf und was nicht. Es muss bedacht werden, dass Güldenstern und seine Soldaten Bürger in Uniform sind.

Langfristige Konsequenzen: Moralische Verletzungen und Traumata

Unabhängig davon, wie Güldenstern entscheidet, könnte seine Wahl langfristige moralische Verletzungen (moral injuries) und Traumata sowohl für ihn selbst als auch für seine Soldaten mit sich bringen. Wenn er den Befehl befolgt und viele seiner Männer sterben, könnte dies zu tiefgreifenden Verletzungen führen. Aber auch die Entscheidung, den Befehl zu verweigern, könnte schwerwiegende Konsequenzen für die Möglichkeit einer psychologischen und sozialen Wiedereingliederung nach dem Krieg haben, da Soldaten oft mit Schuldgefühlen und inneren Konflikten zu kämpfen haben, wenn sie den Erwartungen nicht gerecht werden oder den Eindruck haben, von vorgesetzter Stufe verlassen worden zu sein.

Offene Schlussbetrachtung

Die ethische Analyse dieses Dilemmas führt zu keiner einfachen oder klaren Handlungsempfehlung. Güldensterns Entscheidung wird letztlich zwischen der Einhaltung militärischer Disziplin, der Wahrung seiner moralischen Integrität und dem Schutz des Lebens seiner Soldaten abgewogen. Die moralischen Theorien bieten Orientierung, doch ihre Anwendung in realen, stressbeladenen militärischen Kontexten wie diesem bleibt eine Herausforderung. Konkret müssen sich militärische Entscheidungsträger der Tatsache stellen, dass es Situationen gibt, in denen sie nur schlechte Optionen haben. Und in Extremsituationen zwischen schlechten Optionen entscheiden zu müssen, führt an die Grenzen des Menschseins.

Oblt Wehrles Handlungsempfehlung hebt sich dabei von den anderen Analysen ab, da er nicht nur die ethischen Dilemmata differenziert beleuchtet, sondern auch konkrete Handlungsanweisungen gibt, die sowohl ethisch als auch praktisch durchdacht sind. Während andere Analysen zwar fundierte ethische Überlegungen anstellen, bleibt Wehrle der Einzige, der eine klare Lösung präsentiert. Er schlägt vor, dass Güldenstern die Situation erneut analysiert, mit dem Bataillonskommandanten Kontakt aufnimmt und, wenn nötig, den Rückzug vorbereitet. Diese Handlungsanweisung berücksichtigt die übergeordneten ethischen Verpflichtungen gegenüber Vorgesetzten, Untergebenen und Zivilisten gleichermassen, was seine Lösung besonders überzeugend macht. Im Vergleich dazu bleiben die anderen Empfehlungen zu sehr auf die Analyse der Problematik beschränkt, ohne einen konkreten Ausweg zu bieten.

Wehrles Ansatz glänzt inhaltlich durch seine realistische Einschätzung der Lage und die klare Verknüpfung ethischer Prinzipien mit praktischer Machbarkeit. Besonders hervorzuheben ist, dass er die verschiedenen Verantwortlichkeiten Güldensterns – gegenüber den Vorgesetzten, der Kompanie und der Zivilbevölkerung – gleichwertig und verantwortungsbewusst in den Entscheidungsprozess einbindet. Seine Vorschläge zur Kommunikation mit den Vorgesetzten und zur Vorbereitung eines geordneten Rückzugs zeigen eine hohe Sensibilität gegenüber den möglichen Konsequenzen der Entscheidung. Dadurch ist Wehrles Lösung nicht nur ethisch fundiert, sondern auch realistisch und praktisch umsetzbar, was sie von den anderen Analysen unterscheidet. Gerne zeichnen wir ihn mit einem Exemplar «Xenophon’s Cyrus the Great – The Arts of Leadership and War» von Xenophon, mit Editor Larry Hedrick aus und möchten uns bei allen Teilnehmenden für ihre angeregten Einsendungen bedanken.

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Update Führung: September 2024

Preliminary Lessons from Ukraine’s Offensive Operations, 2022–23

[RUSI, 18.07.2024, Jack Watling, Oleksandr V Danylyuk, Nick Reynolds]

The 2023 Ukrainian offensive, initially grounded in a solid strategy, failed due to critical errors and missed opportunities by both Ukraine and its international partners. Delays in equipment, inadequate training, and flawed assumptions about Russian forces led to a breakdown in execution. This report is essential reading for military leaders, offering crucial lessons on modern warfare, including the importance of counter-reconnaissance, electronic protection, and the need for adaptable strategies in regenerating combat power. Understanding these failures is key to avoiding similar mistakes and enhancing future NATO operations.

Link: https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/special-resources/preliminary-lessons-ukraines-offensive-operations-2022-23

Panzer statt Bullerbü: Nach dem Überfall auf die Ukraine rüsten die skandinavischen Länder auf. So geht Zeitenwende

[NZZ, 20.08.2024, Marco Kaufmann Bossart]

Dieser Artikel bietet wertvolle Einblicke für militärische Führungskräfte, indem er die drastischen sicherheitspolitischen Umbrüche in den skandinavischen Ländern nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beleuchtet. Er zeigt, wie entschlossene Aufrüstung und die Abkehr von langjähriger Neutralitätspolitik die Verteidigungsstrategien in Nordeuropa aktuell nachhaltig verändern.

Link: https://www.nzz.ch/meinung/skandinavien-zeigt-wie-zeitenwende-geht-ld.1840980

What is psychological safety?

[McKinsey & Company, 7/2023, McKinsey]

Psychological safety—the absence of interpersonal fear— is critical for peak performance in all areas of life, from work to home. This article delves into why creating environments where people feel safe to speak up, share ideas, and admit mistakes without fear of judgment or retaliation is essential for fostering innovation, productivity, and team effectiveness. Backed by McKinsey’s research, it offers valuable insights for leaders on how to cultivate psychological safety through specific leadership behaviors and development strategies. Military and business leaders alike will find this a compelling read for understanding how to build stronger, more resilient teams.

Link: https://www.mckinsey.com/featured-insights/mckinsey-explainers/what-is-psychological-safety

The Hidden War in Gaza and the West Bank

[Bellingcat, 29.04.2024, Bellingcat Investigation Team]

As Israel gears up for its Rafah offensive, the humanitarian crisis in Gaza deepens, yet restricted media access obscures the full extent of the devastation. In this article, Bellingcat and Scripps News utilize open-source imagery to expose the widespread destruction and deteriorating conditions in Gaza. Simultaneously, the escalating conflict in the West Bank is also highlighted, with satellite imagery revealing continued settlement expansions and rising tensions. This analysis provides a crucial, underreported perspective on the ongoing conflicts, making it a must-read for those seeking to understand the full scope of the crisis.

Link: https://www.bellingcat.com/news/2024/04/29/the-hidden-war-in-gaza-and-the-west-bank/

Wer ist schuld an der Sicherheitslücke beim Trump-Auftritt? Eine Videoanalyse

[NZZ, 18.07.2024, Isabelle Pfister, Jasmine Jacot-Descombes]

Wer trägt die Verantwortung für die Sicherheitslücke bei Donald Trumps Auftritt, bei dem er nur knapp dem Tod entging? Diese Videoanalyse beleuchtet, wie es zu diesem gefährlichen Vorfall kommen konnte. Dabei wird unter anderem das Sicherheitsdispositiv des Secret Service erläutert. Hat der Secret Service versagt, oder liegt die Schuld bei der Polizei? Der Artikel untersucht die gemachten Fehler und gibt spannende Einblicke in die Abläufe hinter den Kulissen. Eine aufschlussreiche Analyse für alle, die an Sicherheitsfragen und den Hintergründen solcher Ereignisse interessiert sind.

Link: https://www.nzz.ch/international/wer-ist-schuld-an-der-sicherheitsluecke-in-butler-eine-videoanalyse-ld.1839679

Deviance and Innovation: Change in a «Society of Saints»

[Joint Force Quarterly, 25.07.2024, Thaddeus V. Drake, Derrick L. McClain]

This article is a must-read for military leaders who seek to balance order and discipline with the need for innovation. It challenges conventional wisdom by proposing that controlled deviance within a rigid structure can be a driving force for change and improvement, offering valuable insights into how military organizations can adapt in rapidly changing environments.

Link: https://digitalcommons.ndu.edu/joint-force-quarterly/vol114/iss2/5/


Über das «Update Führung»

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Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via entgegen.