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Leader's Digest Leader's Digest #7 Newsletter

Update Führung: Juli 2024

Are we celebrating the wrong leaders?

[TEDxBerlin, 2/2024, Martin Gutmann]

Historian Martin Gutmann challenges our admiration for dramatic crisis leadership by exploring the concept of action fallacy. Using the example of the famed but disaster-prone explorer Ernest Shackleton, Gutmann argues that true leadership lies in preventing crises before they occur, rather than managing them with bold actions. This thought-provoking TED talk offers a fresh perspective on what makes a leader truly effective—a perspective that is equally appliable to the realm of military leadership.

Link: https://www.ted.com/talks/martin_gutmann_are_we_celebrating_the_wrong_leaders?subtitle=en

Kriegsreporter Kurt Pelda: «Um die Ukraine steht es besser, als viele glauben»

[ch media, 06.06.2024, Hinter der Schlagzeile]

Kriegsreporter Kurt Pelda beleuchtet den Einsatz von Drohnen an der Nordost-Front des Ukrainekrieges, Herausforderungen mit der innerpolitischen Mobilisierung und wie die russische elektronische Kriegsführung den Kriegsverlauf weiter beeinflussen könnte. Seine anschauliche Darstellung bietet Führungspersonen eine neue Perspektive auf die Lage in der Ukraine und die besonderen Herausforderungen während Kriegszeiten.

Link: https://open.spotify.com/show/7fym5cfgV0dwDuFXJmHDHb

Zombie leadership: Dead ideas that still walk among us

[The Leadership Quarterly, 16.01.2024, Haslam et al.]

Despite significant advancements in leadership theory, outdated and debunked concepts persist, driven by the interests of elites and the leadership industry. In «Zombie Leadership», Haslam, Alvesson, and Reicher dissect these «zombie» ideas, revealing how they flatter the powerful while stifling true progress. The paper identifies eight core axioms of zombie leadership, challenging the narrative which glorifies leaders at the expense of followers and collective success. This provocative review calls for a re-evaluation of leadership paradigms to finally put these dead ideas to rest and embrace more evidence-based approaches.

Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1048984323000966#s0025

Er formt die künftigen Berufsoffiziere – Ein Gespräch mit dem Kommandanten der Militärakademie

[Team Armee Live, 21.06.2024, Matthias Müller, Hugo Roux]

Ein Blick hinter die Kulissen der Militärakademie der Schweizer Armee: Brigadier Hugo Roux spricht über seine Aufgaben als Kommandant der Bildungsstätte für zukünftige Berufsoffiziere. Er erläutert, was Leadership für ihn ausmacht und welche Werte er als Führungsperson pflegt. Dabei teilt er seine Ansichten zu Disziplin, Wertevermittlung, Loyalität, Einbezug der Unterstellten, Ehrlichkeit und der Wichtigkeit von Rollenverständnis. Seine Lebenserfahrungen und interessanten Ansätze bieten wertvolle Anregungen zur Selbstreflexion für alle Führungskräfte.

Link: https://www.youtube.com/watch?v=4ishbQNzS3U

Techcraft on Display in Ukraine

[War on the Rocks, 16.05.2024, Brian A. Hester, Dennis Doyle, Ronan A. Sefton]

In modern warfare, tactics and technology are inseparable. The authors highlight the concept of «techcraft» – the field-expedient use of technology in war – as crucial for soldiers’ success on the battlefield. Ukraine’s defense, using creative combinations of tactics and technology, demonstrates the importance of rapidly integrating technological innovations. To foster these skills in the U.S. Army, leaders must invite, enable, lead, and share insights with their soldiers, creating a culture of continuous innovation and adaptation.

Link: https://warontherocks.com/2024/05/techcraft-on-display-in-ukraine/

Float like a butterfly, sting like a bee – How Allies adapt to drones

[NATO Defense College, 3/2024, LTC Brian R. Miletich]

LTC Brian R. Miletich from the U.S. Army War College explores the profound impact of drone proliferation on modern warfare. The paper argues that while drones significantly enhance combat capabilities, they do not fundamentally alter the nature of war. Instead, they represent an evolutionary rather than revolutionary change. Miletich emphasizes the need for NATO to integrate these technological advancements into strategic defense planning, highlighting the importance of adaptive strategies, network resilience, and comprehensive modernization to maintain a tactical edge in a rapidly evolving battlespace.

Link: https://www.ndc.nato.int/news/news.php?icode=1934


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via entgegen.

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Leader's Digest Leader's Digest #7 Newsletter

Buch des Monats: «Power to the Edge: Militärische Führung im Informationszeitalter» von David S. Alberts und Richard E. Hayes

Was ist die Kernaussage des Buches?

Erste Überlegungen zu vernetzter Operationsführung und den Implikationen durch Digitalisierung und Informationen für den militärischen Führer. Es geht am Ende um Selbstsynchronisation, da nur so der Komplexität Rechnung getragen werden kann. Es werden Prinzipien für die Führung und Kontrolle im Informationszeitalter aufgezeigt.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die Fortführung der Auftragstaktik und die Möglichkeit der Integration des technologischen Fortschritts in die militärische Führung.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Es geht im Kern um die Bereiche Command und Management. Leadership kommt explizit etwas zu kurz, kann aber abgeleitet werden.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die ein militärisches Kommando oder eine Führungsfunktion in der Gesellschaft übernehmen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Für die Entwicklung des Führungsverständnisses der Schweizer Armee und für die Horizonterweiterung.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Dieses Buch zeigt exemplarisch auf, woher unser CLM-Ansatz kommt, wie er abgeleitet werden kann und wie folgerichtig er ist.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Walk the talk, respektvoller und achtsamer Umgang und Ausrichtung aller Kader auf Leadership.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Da wir eine Milizarmee sind, werden wir immer durch die Entwicklungen der Zivilgesellschaft durch die Miliz beeinflusst und können unsere Überlegungen über unsere Soldaten und Kader weitergeben.


Über den Rezensenten

Oberst i Gst Niklaus Jäger hat als Teilnehmer des LGAN 2018 in Hamburg nicht nur an der Helmut-Schmidt-Universität einen Masterstudiengang belegt, sondern auch im Rahmen des Generalstabslehrganges den 60. ASTO (Marinelehrgang) absolviert. Das Denken in Sealines of Communications und in Flaggenstöcken ist mehr als horizonterweiternd. In diesem Sinne ist er auch Segler und begeisterter Wassersportler.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #6 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #6

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Würdigung der diskussionswürdigsten Handlungsempfehlung durch Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich.

Decision Game aus Leader’s Digest #6

Szenario

Die Schweiz befindet sich im Krieg. Gegnerische mechanisierte Verbände haben die Landesgrenze überschritten, ein Oberbefehlshaber der Armee wurde von der Bundesversammlung gewählt. Ein erster Angriff wurde vor wenigen Wochen gestoppt, dem Gegner ist es jedoch gelungen, einen Brückenkopf in ST. GALLEN, W begrenzt durch die SITTER, zu sichern. Der Militärische Nachrichtendienst geht davon aus, dass in den nächsten Tagen ein Ausbruch entlang der Hauptstrasse 7, parallel zur zerstörten A1, erfolgen wird.

Durch einen raschen und teilweise improvisierten Aufwuchs wurden die Armeebestände in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Dazu wurden Freiwillige, in erster Linie ehemalige Armeeangehörige, in Leichten Bataillonen zusammengefasst, von denen jeweils zwei die bestehenden Infanteriebataillone zu Regimentern verstärken. So auch das neu gebildete Gebirgsinfanterieregiment 29, das den oben beschriebenen Ausbruch mit seinen drei Bataillonen verhindern soll.

Darin hat das Gebirgsinfanteriebataillon 29 den Auftrag erhalten, den gegnerischen Stoss durch GOSSAU zu verhindern. Das Leichte Infanteriebataillon 72 verzögert den Übertritt über die SITTER im Raum ABTWIL – WINKELN, das Leichte Infanteriebataillon 86 verhindert die Umgehung über HERISAU.

Gegner

Als Gegner der ersten Staffel wird mit einem Mechanisierten Infanterieregiment gerechnet, das aus drei Infanteriebataillonen (jeweils 41 BMP-2) und einem Panzerbataillon (31 T-80U) besteht.

Eigene Mittel

Sie sind Kompaniekommandant der Gebirgsinfanteriekompanie 29/1. Zusätzlich zu Ihren drei Gefechtszügen mit jeweils vier Gruppen, die mit dem üblichen Gerät (1 Mg 12.7mm pro Zug, zusätzlich pro Gruppe 2 LMg 5.6mm, 2 Granatwerferaufsätze, 2 Zielfernrohre) und hinreichend Munition ausgerüstet sind, wurden Ihnen vor einigen Wochen zwei «leichte Züge» unterstellt. Diese bestehen jeweils aus rund 30 Freiwilligen, mehrheitlich ehemalige Armeeangehörige, Durchschnittsalter 40 Jahre, gestandene Bürgerinnen und Bürger mit variierender Fitness und variierender Militärerfahrung – vom Zivildienstler bis zum ehemaligen Kommandanten einer Füsilierkompanie. Sie sind mehrheitlich mit dem Sturmgewehr 90 bewaffnet, häufig aber auch mit dem Sturmgewehr 57 und vereinzelt mit Maschinengewehren und Maschinenpistolen aus Privatbesitz. Ferner ist Ihnen ein Spähertrupp zugewiesen, der in 1. Priorität über die Feuerkompetenz eines 8.1cm Mörserzugs verfügt. 12cm Bogenfeuer kann angefordert werden, ist jedoch nur auf Stufe Regiment verfügbar. Die bataillonseigene Drohnenwerkstatt stellt täglich rund 10 Drohnen her, die auf die Kompanien verteilt werden.

An Fahrzeugen sind 4 Geschützte Mannschaftstransportfahrzeuge GMTF, 4 Radschützenpanzer 8×8 Piranha II, 4 Lastwagen DURO und 1 Kommandoradschützenpanzer 6×6 (ohne FIS HE) verfügbar. Die weitere Mobilität wird durch Zivilfahrzeuge (Minibusse, Pickups, aber auch Bagger) sichergestellt, deren Requisition der Bataillonskommandant als Ortskommandant bereits angeordnet hat.

Auftrag

Auftrag Gebirgsinfanteriekompanie 29/1: Verhindert gegnerischen Stoss durch GOSSAU nördlich des DORFBACHS.

Aufträge der Nachbarkompanien:

Gebirgsinfanteriekompanie 29/2: Verhindert gegnerischen Stoss durch GOSSAU südlich des DORFBACHS, hält sich bereit Flanke aus Richtung HERISAU zu schützen.

Gebirgsinfanteriepanzerabwehrkompanie 29/3: Nutzt Gegner im Raum METTENDORF – MOOSWIES ab und kanalisiert ihn.

Fragestellung

  • Wie bereiten Sie die Ortschaft vor, wenn Sie 72h haben?
  • Wie positionieren Sie Ihre 5 Züge?
  • Welche Anträge stellen Sie betreffend Kanalisierung im Vorgelände (Kompanie 3) im Rahmen des taktischen Dialogs mit dem Bataillonskommandanten?

Als Lösung genügt eine Skizze mit Stichworten. Dazu sei an Brigadegeneral Gideon Avidor (IDF) erinnert: «During the Yom Kippur War, I served as a G3 officer at 252nd Divison Headquarters. In the course of twenty-three days of fighting, not a single written command was issued. All the battles, including crossing the Suez Canal, were conducted by means of graphic orders or orders issued over the radio».

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #6

Zum Decision Game vom Juni haben uns zwei Einsendungen erreicht. Die beiden Lösungen zeigen, dass sowohl eine akribische Beurteilung der Lage als auch eine pragmatische Analyse im Tischset-Format zu brauchbaren taktischen Entschlüssen führen.

Das vorliegende Szenario zeigt erneut, dass taktische Fragestellungen eine höhere Eintrittshürde mit sich bringen als ethische. Dies mag an der Vielfalt der Möglichkeiten liegen oder daran, dass es um unsere taktische Handlungssicherheit schlecht gestellt ist. Trotzdem haben uns zwei Einsendungen erreicht, die zeigen, dass durch eine gründliche Analyse und taktisches Denken klare Handlungsempfehlungen entwickelt werden können und dass hierzu das Format eines Tischsets ausreichend ist. Im Folgenden werden wir die verschiedenen Ansätze betrachten und ihre Stärken sowie Schwächen herausarbeiten.

Croquis von Mitterer/Walser

Gemeinsam ist beiden Einsendungen, dass sie den Gegner auf der Hauptstrasse 7 kanalisieren und dort vernichten wollen – mit entsprechenden Begehren an die Geb Inf Pzaw Kp 29/3 im Vorabschnitt. Die beiden Einsendungen schlagen dazu zwei naheliegende, aber unterschiedliche Aufstellungen der drei regulären Infanteriezüge vor, ich nenne sie hier «HINTEREINANDER» und «NEBENEINANDER».

In der ersten Variante sollen entlang der Hauptachse zwei Züge hintereinander aufgestellt werden, mit einem dritten Zug in der nördlichen Flanke, der sich für Gegenangriffe vor die jeweiligen Sperren bzw. Stützpunkte bereithält. Stärke dieser Variante ist die Freiheit des Handelns mit einem gut positionierten Zug für offensive Aktionen, Schwäche ist die Sicherheit, da auf eine seitliche Flankierung nördlich oder südlich der Hauptachse schlechter reagiert werden kann sowie die Problematik, dass bei einer Aufstellung hintereinander der Frontverband aus psychologischen Gründen wohl zu einer weniger hartnäckigen Kampfführung neigen dürfte – schliesslich weiss man ja die Sicherheit der Kameraden hinter sich. Dennoch kann diese Lösung durchaus als innovativer Ansatz gelesen werden.

Die alternative Variante ist die Anwendung des Einsatzverfahrens der Infanterie «Kampf in einer Sperrstellung im überbauten Gelände». Hier sind durch zwei Züge nebeneinander Stützpunkte auf zwei benachbarten Kreuzungen zu platzieren, mit einem dritten Zug rückgelagert, der sich wahlweise für eine Schwergewichtsverlagerung Richtung Süden oder Norden sowie für offensive Aktionen bereithält. In sich scheint mir dieser Ansatz, basierend auf der Geländeanalyse, passender, da der Gegner mehrere Parallelstrassen zur Hauptstrasse nutzen kann, die alleine durch passive Hindernisse nicht zu halten wären.

Zusätzlich zu den 3 regulären Zügen waren 2 Leichte Züge aus Freiwilligen verfügbar. Beide Einsendungen bilden daraus Züge in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Freiwilligen. Die Fitteren werden in der einen Lösung den bestehenden Zügen zur Verstärkung zugeteilt, in der anderen Lösung für den Flankenschutz HOFEGG sowie Aufklärung und Abnützung im Vorgelände. Die weniger Fitten werden jeweils für logistische Zwecke und Eigenschutz eingesetzt.

Interessant ist zudem der Hinweis einer Einsendung, dass die Anhöhe SONNENBERG ausserhalb des eigenen Raums dem Gegner Feuerpodeste für Panzer bietet, was einen Antrag zur Raumerweiterung zur Folge hätte. Damit müsste sogar die Regimentsabschnittsgrenze erweitert werden, was aber mit Blick auf das taktisch zusammenhängende Gelände tatsächlich angebracht ist.

Darüber hinaus wäre viel Gutes in beiden Varianten anzumerken und nur wenige Lücken. Auffällig ist etwa, dass beide darauf verzichten, die Brücken über den DORFBACH zu zerstören oder zumindest mit Hindernissen zu blockieren. Der Bataillonskommandant dürfte dabei allerdings mitschuldig sein, hat er doch die Kompanieabschnittsgrenze dem DORFBACH entlang gelegt, so dass sich keiner für die Übergänge verantwortlich fühlt. Dies müsste zwingend in der Bewegungs- und Hindernisführung auf Stufe Bataillon bereinigt werden.

Die Gesamtbeurteilung hängt nun von den Kriterien ab. Um das Engagement der wenigen taktisch Aktiven zu würdigen, entscheiden wir uns dieses Mal – und als Anreiz: wer weiss, vielleicht auch in Zukunft – zweierlei zu prämieren. Hptm Raphael Iselin gewinnt für den taktisch stärkeren und stringent begründeten Entschluss. Hptm Lukas Walser und Oblt Anna Mitterer haben mit Ihrer gemeinsamen Einsendung überzeugt, indem sie ihre prägnante und grafisch konzise Entschlussfassung auf dem Format «Tischset» konzentrierten. Damit soll unterstrichen werden, dass im Gefecht Einfachheit in Entschluss und Befehl ebenso relevant ist wie die taktische Güte. Wir gratulieren allen drei zum Gewinn des Tactical Decision Game #6 und wünschen ihnen viel Spass bei der Lektüre «Hammerstein oder der Eigensinn» von Hans Magnus Enzensberger. Unser Dank gilt auch all jenen Teilnehmern, die diese bei anderer Gelegenheit mit ihren Kameradinnen und Kameraden diskutiert haben.

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Leader's Digest Leader's Digest #6 Newsletter

Update Führung: Juni 2024

Kriegstüchtig? Wo steht die Bundeswehr?

[Zeitschrift für Innere Führung 2/24, 05.2024, Bundeswehr]

Diese reichhaltige Ausgabe der Zeitschrift für Innere Führung der Bundeswehr bespricht unter anderem die Themen Gesamtverteidigung, Kriegstüchtigkeit, hybride Kriegsführung und Resilienz. Viele Fragen, die sich in Deutschland zum Thema Kriegstüchtigkeit stellen, tun dies so oder ähnlich auch der Schweiz und ihrer Armee bei der Wiedererreichung der Verteidigungsfähigkeit. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala stellt auf Seite 58 fest: «Wir [die Bundesrepublik] sind noch nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden. Dieses Mindset muss überall einsickern.»

Link: https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/publikationen

The Syrsky War: Ukraine’s Supreme Commander Is Betting on Drones, Patience and Discipline

[Kyiv Post, 04.2024, Stefan Korshak]

In this article, the author examines the changes the Armed Forces of Ukraine (AFU) have undergone since General Syrsky took over their command from General Zaluzhny. Especially with the AFU having suffered from shell hunger, they started to increasingly rely on drones and currently produce around 70’000 combat-ready FPV drones per month. In some Ukrainian brigades, there is now one full battalion of drone operators for every two battalions of infantry.

Link: https://www.kyivpost.com/post/31637

«Quanten-Computing, künstliche Intelligenz, synthetische Biologie, Nanotechnologie. Das alles kommt auf uns zu, ein Riesenhammer», sagt der NDB-Chef

[NZZ, 04.2024, Marcel Gyr, Georg Häsler, Susanne Goldschmid]

Der Chef vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB), Christian Dussey, spricht über die Herausforderungen, welche die Transformation des NDB mit sich bringt. Ähnlich verhält es sich auch in der Armee oder in Unternehmen: Der Wandel der Zeit erfordert eine Anpassung, aber oft fordert diese notwendige Anpassung die herrschende Führungskultur heraus. Dadurch werden Menschen innerhalb der Organisation verunsichert. Beim NDB ist dies insbesondere relevant, da verunsicherte Mitarbeiter ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellen. Dussey führt weiter aus, dass sich der NDB bereits in einem hybriden Krieg befinde, von welchem auch die Schweiz direkt oder indirekt betroffen sei.

Link: https://www.nzz.ch/schweiz/interview-mit-ndb-direktor-christian-dussey-ld.1824575

Führungsstärke in zwei Welten: Der Weg von Christoph Hürlimann

[Youtube Team Armee Live, 04.2024, Christoph Hürlimann, Mathias Müller]

In der heutigen Folge des offiziellen Podcasts der Schweizer Armee tauchen wir tief ein in die Welt von Christoph Hürlimann – einem Mann, der nicht nur als erfolgreicher Unternehmer bekannt ist, sondern auch als der älteste Bataillonskommandant der Schweizer Armee in Erscheinung tritt. Welche wertvollen Lektionen aus seiner Militärzeit konnte er in die zivile Welt übertragen? Christoph teilt mit uns seine kritischen Ansichten über die zunehmende Bürokratie innerhalb der Armee und diskutiert die interessante Perspektive, dass man Menschen zwar demotivieren, aber nicht motivieren kann. Dieses Gespräch bietet mehr als nur einen Einblick in das Leben eines aussergewöhnlichen Milizoffiziers; es ist eine Inspiration für jede und jeden, der die Bedeutung von Führung, Engagement und die Übertragung von militärischen Werten in das zivile Leben verstehen möchte.

Link: https://www.youtube.com/watch?v=3IR0OBYd1Ic

What is «Hybrid Warfare», Really?

[CEPA, 02.2021, Mark Voyger]

NATO defines «Hybrid threats» as a combination of «military and non-military as well as covert and overt means, including disinformation, cyber-attacks, economic pressure, deployment of irregular armed groups and use of regular forces». Hybrid methods are being used to «blur the lines between war and peace, and attempt to sow doubt in the minds of target populations. They aim to destabilise and undermine societies».1 Hybrid threats place challenging demands on military leaders. The leader’s information may be severely restricted, or he or she risks being deceived. Nevertheless, the need for the leaders to take rapid decisions still persists. This article serves as a starting point to understand the concept of hybrid threats and ways how one might be affected by it.

Link: https://cepa.org/article/what-is-hybrid-warfare-really/

The Commander’s Path to Victory: Communication without Comms

[Modern War Institute, 10.2023, Angus Fletcher, Tom Gaines]

The article is written from within the U.S. Armed Forces, which for the previous decades fought wars characterized by uncontested airspace and centralized and uncontested communications. Now, as the U.S. Armed Forces are preparing for a potential war with China, they are adapting to function even with fragmented communications. This is not just the case for the Army, all the three oldest warfighting domains within the U.S. Armed Forces are seeing an increasing adoption of mission command, the Army, the Navy, as well as the Air Force. The developments and lessons learned are not just relevant to the United States. In case of conflict, the Swiss Armed Forces may also have to operate with fragmented communications and would then have to rely more strongly on Auftragstaktik, on what English-speakers call Mission Command or Commander’s Intent. Especially notable is the article’s statement that «since commander’s intent requires leaders on both ends, transmitter and receiver, your communication chain must be populated with leaders. And since your communication chain extends throughout your entire organization, all your personnel—from top to bottom—need to be leaders».

Army: https://mwi.westpoint.edu/the-commanders-path-to-victory-communication-without-comms/

Air Force: https://www.airandspaceforces.com/air-force-doctrine-brown-decentralize/

Navy: https://www.navy.mil/Press-Office/Press-Releases/display-pressreleases/Article/3639874/cno-releases-priorities-americas-warfighting-navy/


Über das «Update Führung»

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  1. https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_156338.htm ↩︎
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Leader's Digest Leader's Digest #6 Newsletter

Buch des Monats: «Hammerstein oder Der Eigensinn» von Hans Magnus Enzensberger

Was ist die Kernaussage des Buches?

Herausragende Kommandanten besitzen andere Eigenschaften und Fähigkeiten als jene, die von (General-)Stabsoffizieren gefordert werden. Kommandanten müssen den Mut haben, sich ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Kleinigkeiten beiseite zu lassen. Zwangsläufig gehen sie damit aber auch ein Risiko ein, das Falsche als wesentlich zu erkennen – wie es General von Hammerstein möglicherweise ergangen ist.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die literarische Form des Totengespräches gibt dem Buch, ganz im Sinne Hammersteins, einen gewissen Eigensinn.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Eine romanhafte Abhandlung einer zentralen Figur in einem epochalen Umbruch kann gar nicht vollständig sein. So fehlt etwa die Kritik an der Untätigkeit Hammersteins, der aufgrund seines Einflusses auf Reichspräsident Hindenburg diesen möglicherweise hätte von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler abbringen können.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die sich mit der Rolle von Kommandanten auseinandersetzen oder sich für das Ende der Weimarer Republik interessieren.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Es hilft mir, die Rollen in meinem Bataillon stärker abzugrenzen. Was erwarte ich von meinen Stabsoffizieren? Was dürfen sie von mir erwarten? Zudem inspiriert es mich zum oben erwähnten Mut – auch wenn mir das häufig schlecht gelingt.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Als Biographie ist es zunächst dem Leadership-Aspekt zuzuordnen; es geht um den Menschen Hammerstein und seine Rolle, nicht nur als General, sondern auch als Familienvater. Darüber hinaus hätte Hammerstein vermutlich gesagt, der Fokus des Kommandanten liege auf dem Command und das Management sei vollständig dem Stab zu überlassen. Diese Grundhaltung kommt sehr deutlich zum Tragen.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass wir im Command-Bereich die grösste Schwäche aufweisen: Wie wollen wir den Auftrag erfüllen? Den Kadern fehlt die notwendige Handlungssicherheit für das Gefecht der verbundenen Waffen. Seit Beginn der Armee XXI haben wir in der Führungsausbildung ein viel zu grosses Gewicht auf die Verfahrenssicherheit, das heisst auf Management gelegt. Es wird Jahre in Anspruch nehmen, die Defizite ganzer Generationen zu korrigieren.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Dass wir im Leadership-Bereich, gerade bei den Unteroffizieren, Subalternoffizieren und Hauptleuten, sehr gute Voraussetzungen haben. In Anbetracht der kurzen Ausbildungszeit meistern die jungen Kader – Miliz und Berufsmilitärs – ihre anspruchsvollen Aufgaben in aller Regel sehr gut. Das spricht für eine funktionierende Basis.


Über den Rezensenten

Dr. oec. Patrick Hofstetter ist seit dem 01.01.2023 Dozent für Führung und Kommunikation der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich. Zuvor war er elf Jahre Berufsoffizier und drei Jahre Gründer und Leiter der Weiterbildungsakademie der Universität Luzern. Aktuell kommandiert er als Oberstleutnant im Generalstab das Gebirgsinfanteriebataillon 29.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #5 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #5

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Würdigung der diskussionswürdigsten Handlungsempfehlung durch Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich.

Decision Game aus Leader’s Digest #5

Szenario

Während einer aussenpolitisch angespannten Lage zwischen zwei Staaten lancieren unabhängige Terroristen eine umfangreiche False-Flag-Cyber-Operation: Politisch motiviert manipulieren sie Wahldaten, fluten soziale Medien mit Bots und führen GPS-Spoofing-Attacken durch.

Die Terroristen handeln so, um die Sensoren und Frühwarnsysteme beider Staaten zu stören. In beiden Staaten werden auf diese Weise Warnmeldungen ausgelöst, die nicht richtig zugeordnet und fälschlicherweise dem jeweils anderen Staat zugeschrieben werden. Es gibt keine zuverlässigen Belege, welche die zwischenstaatlichen Anschuldigungen widerlegen und eine Deeskalation bewirken könnten. Beide Staaten weisen jegliche Verantwortung von sich und sehen die jeweils andere Seite in der Verantwortung.

Die Vorgänge werden beiderseits als Auftakt präemptiver militärischer Massnahmen bewertet, weshalb beide Seiten Cyberattacken auf konventionelle C3-Netzwerke (Command, Control & Communications) durchführen. Die militärstrategischen Planungsvorgänge nutzen KI-basierte Expertensysteme zur Unterstützung. Diese Expertensystem schlagen dann aufgrund der Datenlage und mittels Vergleiche mit früheren bewaffneten Konflikten in anderen Ländern eine Reihe konventioneller militärischer Vorgehensweisen vor, um als konventionelle Erstschläge Abwehreinrichtungen, Kommunikations- und Rechenzentren im jeweils anderen Land anzugreifen. Um die eigene Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen, werden eine Reihe von Abwehrmassnahmen und konventionellen Vergeltungsschlägen gegen kritische Infrastrukturen der Gegner einem KI-Algorithmus übertragen, der diese Massnahmen bei gegnerischem Angriff koordiniert und autonom umsetzt.

Sie sind Kompaniekommandant. Gemeinsam mit Ihren Truppen sind Sie an der Grenze stationiert und haben den Auftrag, eine kritische Infrastruktur im grenznahen Ausland zu beobachten, und Belege für verdächtige Vorgänge zu sammeln. Aufgrund Ihrer etwas erhöhten Position haben Sie und Ihre Truppen Einsicht auf die Kritische Infrastruktur ohne die Grenze überschreiten zu müssen.

Es häufen sich die Hinweise auf eine bevorstehende Sabotageaktion von unbekannten Akteuren. Zudem häufen sich die Gerüchte in den sozialen Kanälen, welche in der Truppe weit verbreitet sind, dass der Konflikt ursprünglich von unabhängigen Terroristen angezettelt wurde und diese die Eskalation nun weiter vorantreiben wollen. Unter den Offizieren im ganzen Bataillon macht sich die Vermutung breit, dass solche unabhängigen Terroristen die Kritische Infrastruktur sabotieren wollen, um die Eskalation hin zum Krieg zu bewirken.

Mitten in der Nacht werden Sie als Kompaniekommandant von dem nun sichtlich aufgeregten Leutnant Hauser, Zugführer BIVIO, informiert, dass eine Sabotageaktion auf die beobachtete Kritische Infrastruktur im Nachbarstaat vorbereitet wird. Leutnant Hauser informiert, dass er mit seinem Zug bereit ist und schlägt vor, mit seinem Zug jetzt einzugreifen und somit den Sabotageversuch zu verhindern zu versuchen.

Seit einigen Stunden ist der Kontakt zur vorgesetzten Stufe abgebrochen. Dies ist in den vergangenen Monaten regelmässig passiert und sehr wahrscheinlich auf gegnerische Operationen zurückzuführen, die bis anhin allerdings ebenso wenig nachgewiesen werden konnten. Jedenfalls scheinen Sie keine Möglichkeit zu haben, die Ansicht Ihres vorgesetzten Kommandanten oder gar eine rechtliche Einschätzung des Grossen Verbandes zu erhalten

Fragestellung

  • Welche Gründe sprechen für und welche gegen ein Eingreifen von Ihnen als Kompaniekommandant?
  • Schätzen Sie, dass Ihr Eingreifen als regulärer Kriegseintritt gewertet werden könnte?
  • Wann wurde bzw. wird Ihrer Einschätzung nach die Schwelle hin zum regulären Krieg überschritten?
  • Wie handeln Sie im Anbetracht dieser Überlegungen?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #5

Zum Ethical Decision Game vom Mai haben uns wiederum erfreuliche sechs Einsendungen erreicht, welche auf das Dilemma mit verschiedenen Herangehensweisen reagieren.

Kern des ethischen Dilemmas ist die Frage, ob von einem Auftrag und erhaltenen Auflagen abgewichen darf, um mutmasslich Schlimmeres zu verhindern. Verschärft wird die Situation einerseits durch die beschriebenen Automatismen aufgrund der Verwendung von Künstlicher Intelligenz und andererseits durch eine regelrechte Verschachtelung von Ungewissheiten: greifen die Terroristen die Kritische Infrastruktur im Nachbarland an, um zum Krieg zu eskalieren? Ist es das Nachbarland selbst, das mit einer False Flag Operation einen Vorwand zur Eskalation schaffen will? Handelt es sich um eine Falle, um uns zur Intervention zu verleiten, die wiederum als Vorwand zur Eskalation genutzt werden kann – oder verhindern wir durch unser Eingreifen gerade die Eskalation?

Der betroffene Kompaniekommandant muss aufgrund der unterbrochenen Verbindung zur vorgesetzten Stufe (ist das ein Hinweis für oder gegen eine False Flag-Operation?) auf Basis unvollständiger Informationen entscheiden. Die Ethik lehrt, dass er nicht nur für seine Handlungen, sondern auch für seine Unterlassungen verantwortlich ist. Aus dieser Perspektive ist das Argument «ich habe keinen Auftrag zur Intervention erhalten» nicht hinreichend. Dass solche Situationen keineswegs nur fiktiv sind, zeigt die Geschichte des sowjetischen Oberstleutnants Stanislaw Petrow, der 1983 möglicherweise einen Nuklearkrieg verhinderte.

Die Einsendungen listen gewissenhaft die Gründe für und gegen die Intervention auf: Eine solche könnte zum Spannungsabbau beitragen, als guter Wille gedeutet werden, vertrauensbildend wirken und gar – je nach Art der Infrastruktur – Schaden von der Zivilbevölkerung abwehren und schliesslich einen Krieg verhindern. Andererseits ist die kinetische Grenzüberschreitung als Verstoss gegen die territoriale Integrität des Nachbarstaates eine Provokation an sich, die eigene Truppe wird gefährdet, die eigenen Mittel sind womöglich nicht ausreichend, es besteht eine Irrtumswahrscheinlichkeit und, wie bereits erwähnt, ist die Intervention nicht Teil des Auftrags.

Entsprechend divers sind die Vorschläge: Ein Leser will sich nicht festlegen, einer greift ein, zwei greifen nicht ein, ein weiterer greift nicht ein, will aber einen Grenzposten im Nachbarland informieren. Was wollen wir daraus als Führungskräfte lernen – abwarten und auf die richtige Intuition hoffen?

Mehrere haben den Hinweis integriert, dass mittels Wargaming und Eventualplanungen vergleichbare Situationen durchaus antizipiert werden könnten und man solche Entwicklungen mit der vorgesetzten Stufe hätte besprechen müssen. Das ist sicher eine wichtige Lektion zum Mitnehmen, doch ein Konjunktiv reicht noch nicht für den ersten Platz.

Deshalb geht dieser an den Leser, der in kreativer Weise eingreift, indem er mit Beleuchtungsgranaten – «am besten Infrarot» – auf die drohende Sabotage aufmerksam macht. Für diesen Vorschlag mit der schlüssigen Begründung «Wenn meine Kompanie in solcher Grenznähe, nahe einer gegnerischen Kritischen Infrastruktur zur Überwachung eingesetzt wird, wird das auch der Gegner bereits wissen und beobachten, was wir tun.» gebührt Hptm Thierry Widmer der Sieg. Der Preis, das Buch «The AI Commander» von James Johnson, wird ihm persönlich überreicht.

Weiterführende Links

Falls Sie sich noch mit mehr Decision Games beschäftigen wollen, so finden Sie unter folgendem Link eine ausgiebige Sammlung von Tactical Decison Games: https://www.mca-marines.org/wp-content/uploads/Mastering-Tactics.pdf.

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Leader's Digest Leader's Digest #5 Newsletter

Update Führung: Mai 2024

The War in Ukraine: Reality Check for Emerging Technologies and the Future of Warfare

[Geneva Centre for Security Policy, 04.2024, Jean-Marc Rickli, Federico Mantellassi]

This extensive report elaborates on the impact emerging technologies will have on the future of warfare. The authors demonstrate how new technological realities (Drones, AI, Cyberspace & Information War) will shape the character of war in the future and are already doing so in the Ukraine War. Yet they also note, that despite the emergence of seemingly ground-breaking innovations in (weaponised) technology, the quantity of legacy systems such as tanks and artillery as well as a significant number of well-trained troops remain crucial.

Link (Click on «Read Publication»): https://www.gcsp.ch/publications/war-ukraine-reality-check-emerging-technologies-and-future-warfare

Fostering a «Will to Fight» Has to be NATO’s Next Priority

[RUSI Journal, 04.2024, Dominik Presl]

The War in Ukraine has shown that within a population, a shared willingness to defend the country can have decisive effects on the question if an aggressor’s plans succeed. To name an example, in the first days of the full-scale invasion of Ukraine, Russian Forces failed to consolidate their position in the northwest of Kyiv at Antonov Airport in Hostomel, partially due to armed volunteers providing resistance even before the Armed Forces of Ukraine arrived.1

The article quotes the Finnish and Estonia Comprehensive Defence Strategies, which suggest that for citizens, «awareness and understanding of a credible threat to their security, a belief in the capacity of their country to defend itself from this threat, and an understanding of what their role would be in this effort are among the key factors increasing the willingness of citizens to defend their country».

Link: https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/fostering-will-fight-has-be-natos-next-priority

Cohesion, Performance, and Readiness: A Brigade-Level Experiment in the Art and Science of Organizational Culture

[Modern War Institute at West Point, 03.2024, Josh Bowen, Jon Bate]

A unit can be perfectly trained (Command), well-managed and have efficient processes (Management), yet its culture (Leadership) can still prevent the unit from achieving its missions. In other words: «Culture eats strategy for breakfast». A U.S. Army brigade attempted to answer the question how leaders can invest in unit culture in a way that increases performance. Therefore, they conducted an experiment in three steps. Firstly, 150 members of the brigade (from all levels of command) came together and defined unit culture and its different aspects. Secondly, they used a survey to systematically measure how those aspects are being perceived by members of the brigade. Thirdly, the brigade took action to cultivate unit culture, and prioritized aspects of culture where a unit received low scores. Early results of the experiment suggest, that through this culture development, the brigade increased in both cohesion within as well as in performance.

Link: https://mwi.westpoint.edu/cohesion-performance-and-readiness-a-brigade-level-experiment-in-the-art-and-science-of-organizational-culture/

La Culture Juste chez des Pilotes de Chasse, Conséquences sur leurs Apprentissages

[Stratos, 03.2024, Hervé Barras, Mario Schwarz, Marcel Mühlethaler]

Cet article montre l’impact de la culture juste sur le développement des compétences des pilotes de chasse. La culture juste est une pensée qui se repose sur le traitement et l’analyse des erreurs dans le but d’améliorer la sécurité. Il y a une logique d’apprentissage et d’amélioration en continue. Cette pensée est très développée dans le monde de l’aviation militaire. Dans cette étude exploratoire, quatre pilotes de chasse sont interrogés sur leur manière d’apprendre, leur rapport aux erreurs et les traces qu’ils collectent. Les résultats montrent clairement chez ces pilotes leurs capacités réflexives. Ils ont confiance dans la formation reçue, mais aussi dans les produits issus de cette culture juste. De plus, ils développent une confiance dans le groupe des pairs. Ce travail démontre clairement l’impact de cette culture juste dans la capacité de ces pilotes à se développer tout au long de leur carrière. Cependant, quelques apports de la pratique réflexive pourraient être inséré dans la formation et la carrière professionnel pour valoriser et partager le développement des compétences.

Link: https://www.vtg.admin.ch/de/aktuell/publikationen/stratos.detail.publication.html/vtg-internet/de/publications/stratos/stratos-artikel/stratos_digital_78_Barras_et-al_Debriefing_def2.pdf.html

The Return of the Tactical Crisis

[Modern War Institute at West Point, 03.2024, Randy Noorman]

The tactical crisis resulted out of the emergence of increased firepower paired with higher accuracy and range and describes the crisis on the tactical level, as the threat of enemy firepower posed a dilemma. On one hand, achieving a local breakthrough requires a concentration of forces, on the other hand, concentrating forces put them at great risk of enemy artillery. This dilemma was later overcome by higher mobility, and speed allowed combat troops to conduct offensive operations whilst avoiding indirect fire. The article also elaborates on the roots of «Auftragstaktik». In Ukraine, more advanced reconnaissance led to a nearly transparent battlefield. Paired with fast-targeting artillery and precise combat drones, this improved reconnaissance is translated into increased lethality of any movement (80% of the causalities in the Ukraine War are due to artillery2) and therefore favors positional, dug-in warfare, as opposed to warfare based on maneuver. The author of this article therefore argues that the tactical crisis of the 19th and 20th century has returned and states that «because dispersion increases a commander’s span of control, it reduces the ability to command and control the overall battle and in turn, raises the need for independent action of subordinate commanders».

Link: https://mwi.westpoint.edu/the-return-of-the-tactical-crisis/

The Attritional Art of War: Lessons from the Russian War on Ukraine

[RUSI Journal, 03.2024, Alex Vershinin]

The author remarks how in a potential great power conflict in the future, a strategy focused on attrition rather than on maneuver might prove decisive. He then elaborates on the implications of such a strategy. For one, a high capacity for force generation and replacements in both personnel and matériel would be required. Moreover, Vershinin remarks on how the force-centric approach required for wars of attrition tends to benefit armies which are officer-focused. This stands in contrast to most Western Armies, including the Swiss Armed Forces, with its attempt to train competent Non-Commissioned Officers (Unteroffiziere / sous-officiers). Having thoroughly trained NCOs allows for troops to conduct more complex operations. Nevertheless, in the case of an attritional war, replacing them with equally well-trained NCOs would take a considerable amount of time and further strain the resources of the Armed Forces. Despite it having other drawbacks, Armed Forces (such as in Russia) mostly rely on officers (Lieutenants) to lead their troops. Since it takes only a fraction of the number of lieutenants compared to NCOs and since in such armies, lieutenants tend to be further from the frontline than NCOs who are expected to lead their troops by example, fewer trained leaders are WIA or KIA, which makes it easier to replace losses or quickly expand forces.

Link: https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/attritional-art-war-lessons-russian-war-ukraine


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via entgegen.

  1. https://icds.ee/en/ukraines-territorial-defence-on-a-war-footing/ ↩︎
  2. https://news.sky.com/story/ukraine-war-the-race-to-rearm-could-decide-who-wins-the-conflict-12817694 ↩︎
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Leader's Digest Leader's Digest #5 Newsletter

Buch des Monats: «The AI Commander: Centaur Teaming, Command, and Ethical Dilemmas» von James Johnson

Was ist die Kernaussage des Buches?

Das Buch beschäftigt sich mit der Frage, was die Folgen des Einbezugs künstlicher Intelligenz in Kriegspraktiken sind und inwiefern dies das Führungshandwerk beeinflusst. Die Möglichkeiten konstruktiver Zusammenarbeit menschlicher und künstlicher Intelligenz sind vielfältig und die Erwartungen sind hoch. Gerade im militärischen (und sicherheitspolitischen) Umfeld müssen Chancen und Risiken aber differenziert betrachtet werden. Unter dem Strich ist menschliche Intelligenz mit KI-Kompetenz aber unabdingbar.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Johnson bildet ein Gegengewicht zur anhaltenden KI-Modewelle: Es ist fraglich, ob KI menschliche Entscheidungsträger überhaupt sinnvoll ergänzen kann. Zudem zeichnet er ein differenziertes Bild davon, wie strategisches Denken mit kontrafaktischen Ansätzen funktioniert, um nicht-linearen Dynamiken Herr zu werden.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Es ist das neue Standardwerk über militärische Entscheidungsfindung und KI. Unbedingt weiterdenken sollte man aber die militärethischen Implikationen sowie die Details kontrafaktischen Denkens.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Zunächst an alle Führungskräfte, die KI-gestützte Systeme anschaffen, implementieren oder anwenden werden. Zudem ist die Lektüre interessant für militärstrategisches und strategisches Denken.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Hier geht es um Themen, welche den militärischen Führungsalltag noch nicht betreffen – aber doch grosse Probleme mit sich bringen, wenn sie nicht früh genug bedacht werden.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch stellt Command-Aspekte ins Zentrum. Leadership kommt kaum zum Zug und Management gar nicht.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

In der Militärsoziologie gibt es seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Ausprägungen der Idee, dass es eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen der zivilen (d. h. demokratischen) Gesellschaft und militärischen Organisationen mit ihren hierarchischen Strukturen gibt. Es ist eine zentrale Aufgabe der Sicherheitspolitik eines Landes, das Gleichgewicht zwischen den beiden Seiten herzustellen bzw. zu wahren.

Krieg muss gedacht und vorbereitet werden, ohne dass er erlebt wurde. Gleichzeitig muss das zivil-militärische Gleichgewicht gewahrt bleiben. In der Koordination dieser beiden sehe ich eine grosse Herausforderung.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Der Faktor Mensch muss optimal eingesetzt werden. Dies nicht nur im militärischen Alltag, sondern auch in Bezug auf das Beschaffen und Implementieren neuer Technologien sowie mit Blick auf verlässliche Verbindungen zwischen Militär, Politik, Wirtschaft und Zivilbevölkerung.

Nur so können Legitimitätsfragen an militärische Organisationen in demokratischen Gesellschaften einer sachlichen Beantwortung zugeführt werden.


Über den Rezensenten

Geboren 1982 in Brig-Glis (VS), studierte Dr. Florian Demont Anglistik und Philosophie an der Universität Basel und erreichte seinen Master durch Forschung in Philosophie an der University of Birmingham sowie Forschung am King’s College London. Anschliessend promovierte er in Sprachphilosophie an der Universität Zürich. Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Assistent der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. In Lehre und Forschung konzentriert er sich auf Führungsethik, Militärethik, Leadership Studies und Wertetheorie.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #4 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #4

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das von Maj Philipp Scherrer erstellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Würdigung der eingegangenen Handlungsempfehlung durch Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich.

Decision Game aus Leader’s Digest #4

Szenario

Gegner

In der Schweiz ist es zu Kampfhandlungen im Verteidigungsraum gekommen. Im rückwärtigen Raum stören und binden irreguläre Kräfte unsere Verbände mit schweizweit täglich weit über 50 Anschlägen.

Die irregulären Kräfte sind auf Tageslicht angewiesen und wählen bewusst die «Hit and Run»-Taktik: Dabei werden unsere Kräfte auf grösstmögliche Distanz beschossen und der Gegner zieht sich zurück, bevor auf den Beschuss reagiert werden kann.

Das Hauptziel des Gegners ist dabei nebst dem Zufügen von Verlusten von Menschen und Material insbesondere das Untergraben der Moral der Truppen und somit die Aushöhlung deren Wehrwillens.

Als favorisierte Ziele solcher Anschläge gelten ungepanzerte Fahrzeuge und einzelne stehende Angehörige der Armee.

Zusätzlich zu den Anschlägen auf eigene Truppen wird auch zivile Infrastruktur vermehrt durch gegnerische weitreichende Artillerie beschossen.

Eigene Mittel

Sie sind seit einigen Monaten Gruppenführer und konnten in der Zeit ein starkes Team formen. Der Umgang ist kameradschaftlich und professionell zugleich. Es haben sich gradunabhängig echte Freundschaften entwickelt; etwa zwischen Ihnen und Fabio, einem Ihrer Soldaten.

Ihre Gruppe verfügt über einen gepanzerten Personentransporter (GMTF). Nebst der Besatzung des Gefechtsfahrzeugs und fünf Sturmgewehr (Stgw)-Schützen verfügen Sie über einen Stgw-Zielfernrohr (ZF)-Schützen und einen Leichten Maschinengewehr (LMg)-Schützen.

Auftrag

Sie haben den Auftrag, das Abladen von Verpflegung und Sanitätsmaterial am Bahnhof WALENSTADT zu sichern. Mit diesem Material soll die notleidende Bevölkerung der umliegenden Dörfer versorgt werden.

Zur Sicherung haben Sie den ZF-Schützen zusammen mit dem LMg-Schützen im Dachstock des Restaurants Churfirsten Stellung beziehen lassen. Die Verbindung steht. Das Binom hat mit den Restlichtverstärkern gut Einblick über das taktisch zusammenhängende Gelände. Insbesondere der Zu- und Austritt nach Osten (die von Ihnen als am gefährlichsten beurteilte Geländekammer), kann gut eingesehen werden. Sie sitzen mit Fabio gemeinsam im GMTF. Alle weiteren AdA stehen gut geschützt in Rufweite und sichern die näheren Zu- und Austritte.

Umwelt

Das Abladen der dringend benötigten Güter hätte bis 1h vor Beginn der Dämmerung abgeschlossen sein sollen (0545). Doch die Einfahrt des Zuges verzögerte sich aufgrund von Artilleriebeschuss.

Es ist jetzt 0715 und hell. Mehrere Passanten flehten Sie schon zu Beginn an, das Abladen nicht abbrechen zu lassen, so wie es in den letzten Wochen vermehrt geschah. Ihr Kommandant gab Ihnen freie Hand, selber und situativ über die Durchführung des Auftrags zu entscheiden.

Unmittelbare Situation

Sie haben sich bereits an diese seltsame Mischung aus Anspannung und Routine, Aufmerksamkeit und Müdigkeit – es ist das Ende einer Nachtschicht – gewöhnt. Wahrscheinlich deshalb sprechen Sie nur Weniges und Belangloses. Fabio meint, dass er das GMTF jetzt unbedingt für ein kurzes persönliches Bedürfnis verlassen müsse. Sie denken sich nichts dabei, schliesslich ist das Abladen bis jetzt ruhig verlaufen. Wenige Meter vor dem Busch bricht ein Schuss und Fabio fällt aufschreiend zu Boden. Der Bereich seiner Schulter färbt sich sofort rot. Er liegt ca. 17m vor Ihnen. Fabio kann sich kriechend noch etwas in Ihre Richtung bewegen, bleibt aber dann kraftlos liegen. Ihre Blicke treffen sich…

Der Beschuss kam eindeutig von Osten. Ihr ZF-Schütze meldet über Funk, dass kein Ziel erkennbar sei.

Fragestellung

  • Welche Möglichkeiten sehen sie, diese Situation zu bewältigen?
  • Wie helfen Sie Fabio am schnellsten und am sichersten?
  • Rückblickend (im Sinne einer AAR): Was sind die für Sie wesentlichsten Parameter, die Ihre Beurteilung der Lage hätten beeinflussen müssen?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #4

Zum Decision Game vom April haben uns vier Einsendungen erreicht, was uns besonders freut, nachdem das erste Tactical Game nur eine Antwort erhielt. Es ging entsprechend schwergewichtig um Command:

Führungssituationen können danach kategorisiert werden, ob sie einfach, kompliziert, komplex oder chaotisch sind. Beim vorliegenden Szenario handelt es sich wohl eindeutig um letzteres. Ist der Schütze fort? Sind es mehrere? Lebt Fabio noch? Die Zeit für detaillierte Analysen oder gar eine Aktionsplanung fehlt, Handeln ist entscheidend. Ein naheliegender erster Schritt ist das Wiedererlangen der Feuerüberlegenheit, sei es mittels Zielfernrohr oder mittels 12.7mm Maschinengewehr. Der Schutz für das weitere Handeln ist entscheidend, etwa durch eine Anpassung des Dispositivs (Ausrichtung auf vermutete Beschussrichtung) in Feuer und Beobachtung – ein Wärmebildgerät kann auch ausserhalb der Dunkelheit hilfreich sein. Der Einsatz von Nebel, wie auf dem GMTF verfügbar, und die Verschiebung desselben als Deckung sind weitere Schritte.

Erst jetzt ist an Kameradenhilfe zu denken, wobei der Verwundete situativ zu bergen oder auch nur zu stabilisieren ist. Parallel dazu erfolgt die Meldung an die vorgesetzte Stufe – in einem funktionierenden Verband sollte das ohne Zutun des Chefs erfolgen. Einzelne meinten, der eigentliche Auftrag – das Abladen – sollte weiterhin erfüllt werden, da der Gegner ja typischerweise mittels Hit-and-run agiere und nun keine Störung mehr zu erwarten sei. Das scheint mir angesichts des geänderten Fokus des Gruppenführers doch fraglich, kann aber wohl nur vor Ort eingeschätzt werden.

Auch zur After-Action-Review (AAR; weshalb konnte das passieren?) wurden zahlreiche Aussagen gemacht. Im Command-Bereich ist es wenig konsequent, einen Auftrag, der bewusst im Schutze der Dunkelheit durchgeführt wird, bei Tageslicht fortzusetzen. Gegen die negativen Folgen von Routine anzukämpfen, ist zudem eine Aufgabe der Leadership. Schaffe ich es, eine professionelle Kultur zu entwickeln und zu erhalten, die auch unter Belastung und Ermüdung nicht ins Bequeme und Unvorsichtige abdriftet? Das ist eine anspruchsvolle und permanente Führungsaufgabe. Im Management schliesslich stellen sich rückblickend organisatorische Fragen: hätte der verspätete Verlad verhindert werden können? Funktionieren die Alarmierung und Auslösung der Reserve? Sind die Rettungsprozesse bekannt? Einiges ist nicht nur Taktik und Kultur, sondern schlicht und einfach Organisation. Letztlich geht es dann in der AAR nicht nur darum, die Fehler zu erkennen, sondern Konsequenzen für die Zukunft abzuleiten – von Command (Gefechtstechnische Standards) über Leadership (Professionelle Kultur) bis hin zum Management (Einsatzplanung).

Von den Einsendungen hat Hptm Flurin Jossen alle diese Punkte am prägnantesten zusammengestellt. Wir gratulieren ihm zum Gewinn des Tactical Decision Games #4, wünschen viel Spass bei der Lektüre von «Concrete Hell» von Louis A. DiMarco und bedanken uns bei all jenen, die sich die Mühe genommen haben eine Lösung einzureichen oder sie bei anderer Gelegenheit, mit Kameradinnen und Freunden, diskutiert hatten.

Weiterführende Links

Falls Sie sich noch mit mehr Decision Games beschäftigen wollen, so finden Sie unter folgendem Link eine ausgiebige Sammlung von Tactical Decison Games: https://www.mca-marines.org/wp-content/uploads/Mastering-Tactics.pdf.

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Leader's Digest Leader's Digest #4 Newsletter

Update Führung: April 2024

A fatal flaw: Positive leadership style research creates causal illusions

[The Leadership Quarterly, #187, 02.2024, Thomas Fischer, Joerg Dietz, John Antonakis]

In diesem englischsprachigen Artikel argumentieren und zeigen die Autoren empirisch, dass Konstrukte und Messgrössen positiver Führungsstile, wie z. B. Authentic, Ethical oder Servant Leadership, keine wahrheitsgetreuen Darstellungen des Führungsverhaltens sind. Stattdessen verwechseln diese Stile Verhaltensweisen mit subjektiven Bewertungen von Führungskräften. In vier Experimenten zeigen die Autoren, dass positive Führungsstile Ergebnisse sind, die von nicht-verhaltensbezogenen, bewertenden Faktoren abhängen, wie z. B. Informationen über den früheren Erfolg einer Führungskraft oder die Übereinstimmung von Werten zwischen Führungskraft und Gefolgschaft. Noch wichtiger ist, dass die Messgrössen dieser Führungsstile kausale Illusionen erzeugen, indem sie objektive Ergebnisse fälschlicherweise vorhersagen, selbst wenn das Verhalten der Führungskraft und andere führerspezifische Faktoren konstant gehalten werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorliegende Studie ernsthafte Zweifel an der bisherigen Forschung aufkommen lässt, die behauptet, dass positive Führungsstile zu positiven Ergebnissen führen. Nach Ansicht der Autoren ist die Forschung zu positiven Führungsstilen nicht nur falsch, sondern auch praktisch nutzlos, da ihre Konstrukte und Messgrössen Amalgame sind, die keine konkreten und erlernbaren Verhaltensweisen isolieren. Die Autoren fordern eine radikale Neuausrichtung der Führungsstilforschung und skizzieren Optionen für eine solidere zukünftige Forschung.

Link: https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2023.101771

The Battle of Irpin River

[British Army Review, #187, 02.2024]

This detailed report describes the fighting in the suburbs of Kyiv. By using interviews, it depicts the fog of war of the first days of the full-scale invasion and shows how leaders led even when faced with an unclear and rapidly changing situation.

Link: https://chacr.org.uk/2024/02/19/the-battle-of-irpin-river/

Military Leadership and Resilience

[Handbook of Military Sciences, 08.02.2024, Danny Boga]

Whilst civilian life and work can be stressful, it is rarely life-threatening and can often be avoided. This stands in stark contrast to soldiers and commanders mobilised for active service. Whilst it not being life-threatening, Swiss conscription forces young men from their civilian lives into a military setting. As stress rises, mental health suffers, thereby leading to a decrease in performance. In order to maintain the effectiveness of officers, NCOs and soldiers, they need to be resilient towards stress factors. Whilst the individual personality has an influence on personal resilience, resilience can also be strengthened through leaders who are open and supportive in regards to the mental health of their followers. This well-written journal article further discusses how leadership can lead to resilience and elaborates on the potential of resilience training in the military.

Link: https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978-3-030-02866-4_101-1

Effects of Resilience Training on Resilient Functioning in Chronic Stress Situations among Cadets of the Swiss Armed Forces

[Healthcare Journal, 05.05.2023, Madlaina Niederhauser, Regula Züger, Hubert Annen et al.]

This journal article examines the effectiveness of resilience training in the specific context of the Swiss Armed Forces. The quantitative study suggests that resilience can be strengthened through training. Moreover, it shows that higher individual resilience is associated to coping with stress in a task-oriented way, as opposed to an emotion-oriented way which may exacerbate a stressful situation.

Link: https://www.mdpi.com/2227-9032/11/9/1329

What the Ukrainian Armed Forces need to do to win

[War on the Rocks, 02.06.2023, Erik Kramer, Paul Schneider]

The authors have extensively trained with all services of the Ukrainian Armed Forces and summarise the weaknesses of the military training which they have observed. For one, they noticed a lack of mission command which results in indecision and a lack of adaptability. The authors also mention a lack of interagency cooperation. For example, members of the Ukrainian Territorial Defence were not able to use a training base of the Ukrainian national guard. Not only would this be beneficial so the available infrastructure and resources can be used efficiently, but also would more personal exchange within the different elements of the UAF lead to a better understanding of each one’s tasks and to less misunderstandings and mistrust.

Link: https://warontherocks.com/2023/06/what-the-ukrainian-armed-forces-need-to-do-to-win/

Strategy as engagement: What organization strategy can learn from military strategy

[Long Range Planning 55, 2022, Martin Kornberger und Eero Vaara]

Strategy process and practice research has illuminated the internal dynamics of strategy work – at the cost of backgrounding processes and practices that relate to engagement with external actors. In this conceptual paper, the authors argue for an extension of this body of work by shifting the focus of research from internal practices and processes towards externally oriented practices of engagement. They do so by critically building on the military strategy literature and develop the concept of strategy as engagement. This concept suggests understanding the role of strategy as bridge between policy and tactics; the importance of grand strategy as the making of policy; and the need to focus attention on tactics as distributed collective action.

Link: https://doi.org/10.1016/j.lrp.2021.102125


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