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Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #14

Zum Decision Game aus Leader’s Digest #14 haben uns 6 Handlungsempfehlungen erreicht. Dr. Florian Demont hat die Einsendungen gesichtet und eine Handlungsempfehlung mit einem Exemplar des Buchs des Monats prämiert.

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario.; im Anschluss würdigt Dr. Florian Demont, Militärethiker der Dozentur für Führung und Kommunikation an der ETH Zürich, die diskussionswürdigste Handlungsempfehlung.

Decision Game aus Leader’s Digest #14

Szenario

Nachdem sich der lange schwelende Konflikt mit dem nördlichen Nachbarn immer mehr zu gespitzt hat, ist es vor sieben Jahren zu einem bewaffneten Angriff und Einmarsch gegnerischer Truppen in die Schweiz gekommen. Unsere Truppen konnten zwar mit Hilfe von Partnern und Verbündeten den Vormarsch in einer ersten Phase aufhalten – allerdings hat sich die Front zunehmend verhärtet und zu einem eigentlichen Schützengraben-Krieg entwickelt. Die gegnerischen Gebietsgewinne nehmen fast täglich zu. Dabei handelt es sich zwar nur um minimale Erfolge – aber auch viele kleine Schritte führen irgendwann einmal zum Sieg…

Nachdem in der Anfangsphase des Konflikts die Truppenmoral hoch war – alle waren bereit, sich für die Verteidigung des Landes einzusetzen – sind mittlerweile die Abnützungserscheinungen bei den Soldaten und Kadern unübersehbar. Müdigkeit und Desillusionierung greifen immer mehr um sich. Glaubte man anfänglich noch an einen Sieg und an die Möglichkeit, den Gegner bald wieder aus den eroberten Gebieten verdrängen zu können, schwindet der Glaube daran immer mehr.

Die Armeeführung sucht verzweifelt nach Möglichkeiten, die Fähigkeiten ihrer Soldaten zu verbessern. Bereits lange vor Ausbruch des eigentlichen Krieges wurde schon aktiv im Bereich «Human Enhancement» geforscht. Nun zeichnet sich ein Durchbruch ab. Was sich nach Science-Fiction-anhört, liegt in greifbarer Nähe: Die genetische Verbesserung der eigenen Streitkräfte durch Verabreichung von Substanzen; die Einpflanzung von Kommunikationsmitteln direkt in den Körper der Soldaten sowie die Möglichkeit, durch chirurgische Eingriffe den Bewegungs- und Muskelapparat der eigenen Streitkräfte gezielt zu verbessern. Was sich nach «Captain America» und «Wolverine» anhört, ist plötzlich eine reelle Möglichkeit. Erste Versuche an und mit Freiwilligen zeigen: Würde man einen signifikanten Teil der Truppe mit diesen Fähigkeiten ausstatten, wäre ein Sieg innerhalb der nächsten 12 Monate möglich.

Natürlich stellen sich dabei diverse ethische Fragen. Wie weit darf der Staat in die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte des Einzelnen eingreifen, wenn es um das sogenannt «übergeordnet höhere Ziel» geht: Den Schutz der Zivilbevölkerung und die Weiterexistenz des eigenen Staates? Inwiefern darf man Soldaten dazu zwingen, diese neue Technologien an sich umsetzen zu lassen? Täglich sterben Hunderte. Und nun hätten wir die Möglichkeit, dem Töten ein Ende zu setzen… Was ist die ethisch richtige Entscheidung?

Fragestellung

Die Armeeführung hat entschieden, dass diese Mittel testweise bei Freiwilligen eingesetzt werden. Ihr Divisionskommandant hat Sie als Kompaniekommandant des Infanteriebataillons 26 persönlich angefragt, ob Sie bereit sind, dass dies in Ihrer Infanteriekompanie bei 2 Soldaten pro Gruppe (insgesamt 24 Armeeangehörigen) durchgeführt werden kann. Eine vorgängige Umfrage hatte ergeben, dass sich in Ihrer Kompanie die notwendige Anzahl Freiwilliger befinden. Ihr Bataillonskommandant unterstützt den Versuch, falls Sie sich mit Ihrer Kompanie melden.

Es gibt drei Programme, für die Sie sich entscheiden könnten:

  • Ein Medikament, das pro Dosis für 24h Ängste komplett unterdrückt und gemäss ersten Studien auch hilft, posttraumatische Störungen zu reduzieren.
  • Ein elektromagnetischer Stimulator, der in den Helm eingebaut wird und die Müdigkeit wirksam während Tagen unterdrücken kann (Nebenwirkungen sind noch nicht erforscht).
  • Eine genetische Modifikation, die das Sehvermögen in der Nacht permanent um 250% verbessert.

Ganz konkret:

  • Für welche der Experimente würden Sie die Zustimmung in Ihrer Kompanie geben?
  • Bei welchem der Experimente würden Sie als Kompaniekommandant persönlich mitmachen?
  • Wie begründen Sie Ihren Entscheid?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #14

Die Aufgabenstellung des EDG #14 basiert auf einer Thematik, welche die Militärethik gegenwärtig stark beschäftigt. Während sich doch einige der pharmakologischen Möglichkeiten zur Leistungssteigerung bewusst sind (mehrere Einsendungen nannten Pervitin als Beispiel), sind technisch anspruchsvollere Möglichkeiten wie Exoskelette, Gehirn-Computer-Schnittstellen oder Genmanipulationen weniger präsent. Tatsächlich sind das aber alles Möglichkeiten, die beispielsweise DARPA in den letzten Jahren erforscht hat. Es sind auch die Möglichkeiten, mit denen sich militärethische Diskurse in Frankreich, England, Norwegen, und in anderen Ländern im Detail auseinandergesetzt haben, und zu denen bereits erste Positionspapiere vorliegen.

Es ist davon auszugehen, dass auch Länder wie Russland und China entsprechende Möglichkeiten der Leistungssteigerung und -erweiterung erforschen und testen. Die politischen, rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen sind dort aber andere als in Ländern wie den USA oder Frankreich. Deshalb hat die ganze Thematik auch eine geopolitische Dimension, die sich nicht nur auf mögliche zukünftige Konflikte auswirken wird, sondern ganz konkret auch die Begründung, Auslegung und Weiterentwicklung völkerrechtlicher Rahmenbedingungen mitbestimmt.

Sowohl in rechtlicher wie auch in ethischer Hinsicht muss es darum gehen, militärische Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit einerseits und Menschlichkeit als Grundwert andererseits in Einklang zu bringen. Hier gibt es aber oft Spannungen, die sowohl für politische wie auch für militärische Entscheidungsträger schwierig aufzulösen sind. Das fängt schon damit an, dass das Kriegsvölkerrecht das Verhältnis zwischen Staaten im Konflikt reguliert und menschenrechtliche Bestimmungen immer auf Individuen abzielen (und zwar unabhängig davon, ob ein bewaffneter Konflikt vorliegt oder nicht). Die vorliegende Aufgabe von Hptm Asg Rohner wirft also auch die absolut wichtige Frage auf, ob und inwiefern Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf verschiedenen Ebenen das Wissen und Können besitzen, um mit solchen komplexen Problematiken gut umzugehen – im Hinblick auf die globalen Entwicklungen und die damit verbundenen ethisch-rechtlichen Spannungsfelder.

Unter den sechs (ein neuer Rekord!) eingesandten Lösungsvorschlägen gab es bessere und schlechtere, wobei sich die besseren Vorschläge in Ansatz und Inhalt erstaunlich nahe waren. Unter dem Strich ist aber der Vorschlag von Oblt Ralph Meier der beste. Dieser Lösungsvorschlag überzeugt durch die fundierte ethische Auseinandersetzung mit dem Thema, die klare Fokussierung auf die Verantwortung des Kommandanten für seine Soldaten und die nachvollziehbare, gut strukturierte Argumentation. Die Berücksichtigung potenzieller langfristiger Folgen ist ebenfalls ein Grund für diese Bewertung.

Stärken:

  • Gut ethische Analyse: Oblt Meier identifiziert und diskutiert klar ethische Kernfragen wie Autonomie, körperliche Integrität und die Gefahr der Instrumentalisierung von Soldaten.
  • Berücksichtigung langfristiger Folgen: Die Ungewissheit über Langzeitfolgen bei zwei der Optionen wird als zentrales Argument gegen deren Einsatz angeführt. Die positive Auswirkung der Angstunterdrückung auf die langfristige psychische Gesundheit wird ebenfalls erwähnt.
  • Ausgeprägte Führungsverantwortung: Der Autor betont seine Verantwortung für das Wohl der Soldaten und begründet seine Entscheidungen stark aus dieser Perspektive.
  • Strukturierte und nachvollziehbare Begründung: Die Optionsanalyse ist klar strukturiert, benennt Vor- und Nachteile jeder Option und führt zu einer gut begründeten Entscheidung.
  • Bezug zu übergeordneten Prinzipien: Oblt Meier verweist auf die Wichtigkeit, die Menschenwürde auch in Kriegszeiten nicht zu opfern.

Kritikpunkte:

  • Die rechtlichen Aspekte werden nicht explizit im Detail behandelt, obwohl die ethischen Überlegungen die rechtlichen oft implizieren (und umgekehrt).

Wir danken allen Teilnehmern für Ihre Einsendungen und gratulieren Oblt Ralph Meier zum Gewinn des Buches «Communicating for a Change».

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