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Leader's Digest Leader's Digest #17 Newsletter

Update Führung: Juni 2025

Tactical Developments During the Third Year of the Russo–Ukrainian War

[RUSI, February 2025, Jack Watling, Nick Reynolds]

This valuable study is the result of interviews with soldiers of the Armed Forces of Ukraine. The interviews were conducted within various sectors of the AFU, all deployed on active frontlines in the Donetsk and Sumy regions. The study further examines how tactics in the war are evolving and what effect UAS (Unmanned Aerial Systems) are having. The authors’ observations in the field also point out that due to casualty-intensity and highly vulnerable MEDEVAC and logistics, NATO’s medical doctrine and logistical processes must be updated. An extremely valuable read, as many of its lessons for NATO can similarly be applied to the Swiss Armed Forces.

Link: https://www.rusi.org/explore-our-research/publications/special-resources/tactical-developments-during-third-year-russo-ukrainian-war

Warfare at the Speed of Thought: Balancing AI and Critical Thinking for the Military Leaders of Tomorrow

[Modern War Institute, 21.02.2025, Amanda Collazzo]

Much ink has been spilled on how AI-integrated militaries will be more effective. The author of this article agrees, yet she argues that overreliance on AI comes with dangers which occur when the AI tools are not available, compromised or failing to adapt. As George Dyson succinctly warned: «What if the cost of machines that think is people who don’t?«. The key therefore is that (military) users of AI tools engage in critical thinking to make sure that it is them who use AI and not the other way round.

Link: https://mwi.westpoint.edu/warfare-at-the-speed-of-thought-balancing-ai-and-critical-thinking-for-the-military-leaders-of-tomorrow/

Combatant Commands as Customers?

[War on the Rocks, 08.05.2025, Justin Johnson]

This article begins by stating that, with a budget of nearly $1 trillion and 3.4 million employees, the US Department of Defense is one of the largest economies in the world (in terms of GDP, even larger than Switzerland). Yet it is a centralized planned economy. This contrasts not only with the civilian economy, but also with the decentralization of responsibility through mission command that is sought in the armed forces. The author suggests that with the right incentives, management can be made more efficient and decisions can be accelerated —for example, by giving the demand side, the regional (such as USEUCOM) or functional (such as USCYBERCOM) combatant commands more budgetary autonomy.

Link: https://warontherocks.com/2025/05/combatant-commands-as-customers/

The Future of Great Power Competition

[Joint Force Quarterly 3/24, July 2024, National Defense University]

The journal’s article Deviance and Innovation highlights a key paradox of armed forces, namely the need to innovate within an environment that structurally often favours stability. As the article elaborates: “Innovation and adaptation are inherently deviant. When these behaviors collide with an institutional culture of strict social control such as the U.S. military, most members of the organization will treat them as such”. The journal features various other articles, ranging in topic from logistics and military education to information operations.

Link: https://digitalcommons.ndu.edu/joint-force-quarterly/vol114/iss2/2/

How generational stereotypes hold us back at work

[TEDxCreightonU, 4/2018, Leah Gorges]

In this insightful TED Talk, social psychologist Leah Georges explores the dynamics of the multigenerational workforce, encompassing the Silent Generation, baby boomers, Generation X, millennials, and Gen Z. She challenges the assumptions that often create barriers between these groups and highlights how our similarities outweigh our differences. Georges provides practical strategies for improving communication and collaboration across generations. This talk is particularly interesting for military leaders, who work with diverse age groups and must bridge generational gaps to foster effective teamwork and mission success.

https://www.ted.com/talks/leah_georges_how_generational_stereotypes_hold_us_back_at_work?subtitle=en&geo=fr&trigger=0s

Moderne Kriegsführung − Zwischen Hightech und moralischen Grenzen

[IF – Zeitschrift für Innere Führung 1/25, Dezember 2024]

Diese Ausgabe der Bundeswehrzeitschrift Innere Führung befasst sich mit den Themen der Gesamtverteidigung, und diskutiert den militärischen Einsatz von KI aus militärethischer Perspektive. Weiter wird die hybride Einflussnahme Russlands auf Deutschland beschrieben, ein ebenfalls aktuelles Thema für die Schweiz, welche von Russland ebenso mittels Informationsoperationen zu beinflussen und destabilisieren versucht wird. Auch interessant ist die Diskussion zur Zukunft des Krieges aus Clausewitz’ Perspektive ab Seite 62.

Link: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentrum-innere-fuehrung/unsere-angebote/if-zeitschrift-fuer-innere-fuehrung


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via document.getElementById(«email-obfuscator-leadersdigest»).innerHTML=»R-Znvy».replace(/[a-zA-Z]/g,function(c){return String.fromCharCode((c=(c=c.charCodeAt(0)+13)?c:c-26);});[Aktivieren Sie JavaScript, um die E-Mail-Adresse anzuzeigen] entgegen.

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Buch des Monats: «Organizational Culture and Leadership»

Was ist die Kernaussage des Buches?

Dieses Buch bietet verschiedene Schlüssel, um die Kultur und ihre Entwicklung innerhalb von Gruppen zu verstehen und zu analysieren. Edgar H. Schein nutzt mehrere Beispiele, um einen analytischen Rahmen für das kulturelle Phänomen zu schaffen und liefert auch ein Modell, das zur Beeinflussung und Veränderung der Kultur eingesetzt werden kann.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Dieses Werk ist Teil des Unterrichts am Command & General Staff College in Fort Leavenworth. Mein dortiger Ausbildungsbesuch erlaubt mir daher, einige Elemente des Buches in die Schweiz mitzubringen. Das Buch hat meine Aufmerksamkeit erregt, da es ermöglicht, ein offensichtliches, aber komplexes Phänomen, das wir Kultur nennen, zu entschlüsseln. In einer Welt, die sich ständig verändert, denke ich, dass ein Führer über bestimmte Analysewerkzeuge verfügen muss, um seine eigenen Handlungen im Rahmen der Schweizer Militärkultur denken und analysieren zu können.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Diese Empfehlung richtet sich eher an ein Publikum, das mit akademischen Konzepten vertraut ist, und ermöglicht eine Anwendung bereits auf der Kompanieebene. In unserem Milizsystem ist dieses Werk interessant, da es im Rahmen des Militärdienstes angewendet werden kann, aber auch in der Privatwirtschaft können Milizoffiziere von dem Buch profitieren.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Die drei Elemente der Kultur, wie sie von Schein definiert sind (Artefakte, bekundete Werte, Grundannahmen), haben es mir ermöglicht, retrospektiv über bestimmte Situationen nachzudenken, die ich während meiner Laufbahn erlebt habe. Für die Zukunft werden sie es mir ermöglichen, als Führer auf die Umgebung einzuwirken und zur Entwicklung der Kultur der Schweizer Armee beizutragen.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Werk befindet sich an der Schnittstelle zwischen menschlichen und organisatorischen Herausforderungen, indem die Kultur die Brücke zwischen dem Individuum und der Gruppe schlägt.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Ich sehe eine grosse Herausforderung für die Führung der Armee darin, sich auf die effektive Kampfbereitschaft der Streitkräfte zu konzentrieren, nach mehreren Jahrzehnten einer eher Management-fokussierten Führung (siehe das aktuelle Buch von Rudolf Jaun, Geschichte der Schweizer Armee). Es ist höchste Zeit, zum Prinzip von «Kriegsgenügen» zurückzukehren, und die Ausbildung der Führungskräfte und die Entwicklung der Streitkräfte darauf auszurichten. Ihr einziges verfassungsmässiges Ziel ist es nämlich, die Schweiz und ihre Bevölkerung zu verteidigen und nicht, sich auf andere Horizonte zu fokussieren.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Ich denke, dass die neuen Generationen innovativ sind und zum Schutz unseres Landes beitragen möchten. In diesem Sinne, wenn die Armee in der Lage ist, diese guten Willen agil zu integrieren und von der Vielfalt an Fähigkeiten zu profitieren, die in unserer Bevölkerung vorhanden sind, wird unsere Verteidigungsfähigkeit gestärkt und unsere Armee wird dadurch effektiver.


Über den Rezensenten

Oberstleutnant i Gst Julien Grand, aus den Truppen der Fliegerabwehr stammend, absolvierte den Grossteil seiner Milizkarriere als Einheits- und anschliessend als Abteilungskommandant der der Leichten Flugabwehr-Lenkwaffenabteilung 1. Seit 2008 Berufsoffizier, war er Zugeteilter Stabsoffizier des Kommandanten Luftwaffe, nachdem er zuvor an der Fliegerabwehrschule Stinger als Einheitsinstruktor und Planungschef tätig war. Anschliessend übernahm er die Funktion eines Gruppenchefs an der Generalstabsschule, bevor er zur Command and General Staff School wechselte, wo er sich derzeit in Ausbildung befindet. 2024 hat er einen Doktortitel in Schweizer Geschichte an der Universität Bern erworben.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #16

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss würdigt Dr. Florian Demont, Dozent für Militärethik an der Militärakademie an der ETH Zürich, die diskussionswürdigste Handlungsempfehlung.

Decision Game aus Leader’s Digest #16

Szenario

Sie sitzen als abverdienender Kompaniekommandant in Ihrem Büro und arbeiten konzentriert an einem Übungskonzept, als das Telefon klingelt. Am anderen Ende meldet sich Ihr Vorgesetzter. Die Mutter eines Rekruten hat ihn kontaktiert und berichtet von Zuständen in der Kompanie, die sie als alarmierend erachtet. Ihr Sohn klagte über einen Unteroffizier, der die Rekruten während der Zimmerkontrolle bis zu einer halben Stunde in der Achtungsstellung verharren liess und Material durch die Kaserne warf. Der Rekrut leidet unter Schlafmangel und entwickelt Angstzustände.

Da Sie sich in der zweiten Woche der Rekrutenschule noch nicht alle Gesichter und Namen merken konnten, lassen Sie den betroffenen Rekruten in Ihr Büro rufen. Dieser bestätigt nicht nur die Aussagen seiner Mutter, sondern ergänzt sie um weitere Details. Bereits mehrfach seien Rekruten seines Zuges nach dem Lichterlöschen geweckt worden, um in Sportbekleidung um die Kaserne zu rennen. «Bestrafungen» dieser Art basierten angeblich auf Fehlverhalten wie mangelnder Schuhpflege, Unordnung in den Zimmern oder Verspätungen bei der Ausbildung.

Beim folgenden Kompanierapport bringen Sie das Thema zur Sprache und müssen feststellen, dass die Zugführer keinerlei Kenntnis von den Vorgängen haben. Eine mögliche Ursache ist schnell gefunden: Das höhere Kader ist nicht am gleichen Ort wie die Rekruten und Unteroffiziere untergebracht, was eine unmittelbare Kontrolle erschwert. Um den Vorfall umfassend aufzuarbeiten, ordnen Sie an, dass jeder Rekrut des betroffenen Zuges schriftlich Stellung nehmen soll. Parallel dazu befragen Sie mündlich die Unteroffiziere des Zuges, um deren Sicht der Dinge zu erfahren. Dabei kristallisiert sich rasch heraus, dass Wachtmeister Huber treibende Kraft hinter diesen Massnahmen ist. Seine charismatische Art hat zudem dazu geführt, dass andere Unteroffiziere ihm folgen und ähnliche Praktiken übernehmen.

Die schriftlichen Aussagen der Rekruten fallen jedoch ambivalent aus: Während einige Wachtmeister Huber direkt beschuldigen, verteidigt ihn eine Mehrheit indirekt. Viele befürworten die Massnahmen grundsätzlich und betrachten sie als berechtigte Konsequenzen für mangelnde Disziplin. Die Einhaltung von Ordnung und Sauberkeit sei schliesslich eine zentrale militärische Tugend und letztlich Teil der Ausbildung.

Um die Situation weiter zu ergründen, lassen Sie auch Wachtmeister Huber schriftlich Stellung nehmen. In seinem Bericht zitiert er das Dienstreglement und argumentiert, dass seine Massnahmen der Erziehung zum Soldaten, der Durchsetzung von Ordnung, der Förderung der Kameradschaft sowie dem nachhaltigen Aufbau von Respekt gegenüber den Vorgesetzten dienten. Er betrachtet sein Vorgehen als notwendige Härte, um den Rekruten Disziplin beizubringen, und verweist darauf, dass ähnliche Methoden auch in anderen Zügen Anwendung finden.

Tatsächlich ergibt eine weitere Untersuchung, dass ähnliche Praktiken in anderen Zügen existieren. Doch anders als in dem betroffenen Zug werden sie dort nicht negativ wahrgenommen. Vielmehr empfinden viele Rekruten sie als Teil der militärischen Erziehung und Ausbildung.

Ihr Vorgesetzter ordnet dennoch an, ein Disziplinarstrafverfahren gegen Wachtmeister Huber zu eröffnen, um den Fall offiziell zu untersuchen. Bei der Durchsicht der gesetzlichen Grundlagen und in Rücksprache mit einem Ihnen bekannten militärischen Untersuchungsrichter wird jedoch klar, dass es schwierig sein wird, eine wasserdichte juristische Grundlage für eine Verurteilung zu finden. Die Abgrenzung zwischen strenger militärischer Führung und unzulässiger Schikane ist komplex, insbesondere weil viele Rekruten die Massnahmen verteidigen.

Sie sind hin- und hergerissen. Mehrere Abgänge aus ihrer Kompanie haben Sie bereits gehabt, die möglicherweise auf den harten Umgang zurückzuführen sind, und noch stehen sechzehn Wochen Rekrutenschule bevor. Gleichzeitig anerkennen Sie die konsequente Dynamik im Unteroffizierskorps – das gegenteilige Problem hatte ihnen als Zugführer weitaus grössere Probleme bereitet. Es ist keine leichte Aufgabe, die militärische Härte mit der Fürsorgepflicht in Einklang zu bringen – Sie wollen die Rekruten zur Verteidigungsfähigkeit führen, erziehen und ausbilden, aber auch Schikane und Missbrauch verhindern und disziplinarische Führungsfehler konsequent ahnden. Zudem gilt es, das Vorgehen gegenüber Rekruten, Kadern, Vorgesetzten und Aussenstehenden zu erklären.

Fragestellung

  • Welche Sofortmassnahmen ergreifen Sie?
  • Wie bringen Sie Härte und Fürsorgepflicht in Einklang?
  • Was wollen Sie tun, um die Situation bis Ende der Rekrutenschule zu verbessern?
  • Was kommunizieren Sie wem?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #16

Das vorgelegte Szenario konfrontiert einen Kompaniekommandanten mit einer komplexen Führungssituation: Ein Rekrut beklagt sich über Schikanen durch einen Unteroffizier, Wachtmeister Huber, der für sein hartes Vorgehen bekannt ist, aber auch von vielen Kameraden und einigen Rekruten für seine Konsequenz geschätzt wird. Die Vorfälle reichen von langen Achtungsstellungen bis hin zu nächtlichen «Strafübungen». Gleichzeitig gibt es Hinweise auf systemische Probleme, da ähnliche Praktiken auch in anderen Zügen existieren und die Zugführer offenbar unzureichend informiert oder involviert sind. Der Vorgesetzte des Kompaniekommandanten hat bereits die Eröffnung eines Disziplinarstrafverfahrens gegen Wachtmeister Huber angeordnet, obwohl die juristische Grundlage dafür als schwierig eingeschätzt wird. Der Kompaniekommandant muss nun Sofortmassnahmen ergreifen, eine Balance zwischen notwendiger militärischer Härte und Fürsorgepflicht finden, die Situation langfristig verbessern und seine Entscheidungen verschiedenen Anspruchsgruppen kommunizieren.

Wir präsentieren hier nicht ein Kondensat aller Eingaben, sondern präsentieren den Lösungsvorschlag von Lt Ralph Meier und heben dabei hervor, weshalb sie die Auszeichnung des Monats Mai verdient.

Lt Meier legt eine detailliert ausgearbeitete Antwort vor, die sich durch eine klare Struktur und eine tiefgehende Analyse der Problematik auszeichnet. Seine Lagebeurteilung identifiziert präzise die Kernprobleme: ein Führungs- und Kontrolldefizit, die ambivalente Wahrnehmung der Massnahmen durch die Rekruten, die rechtliche Grauzone, das systemische Ausmass der Praktiken und die Gefahr weiterer Abgänge aus der Kompanie.

Als Sofortmassnahmen schlägt Lt Meier ein Bündel von Interventionen vor:

  • Eine sofortige Kaderbesprechung zur Klärung von Regeln und Grenzen (was ist erlaubt, was nicht?).
  • Die temporäre Anwesenheitspflicht von Zugführern bei Zimmerkontrollen und die Prüfung einer Aufhebung der räumlichen Trennung zwischen höherem Kader und der Truppe.
  • Ein niederschwelliges Gesprächsangebot für Rekruten, um Probleme frühzeitig ansprechen zu können.
  • Die Aussetzung aller fragwürdigen «Erziehungsmassnahmen» bis zur Klärung.

Um die Balance zwischen Härte und Fürsorgepflicht herzustellen, plant Lt Meier:

  • Die Erarbeitung klarer Kriterien für angemessene Härte gemeinsam mit den Zugführern.
  • Die Institutionalisierung von Reflexionsrunden mit den Unteroffizieren, um kritische Situationen zu besprechen und den Sinn von Erziehungsmassnahmen zu betonen.
  • Die Entwicklung eines internen Ausbildungsmoduls für Unteroffiziere.
  • Die Einführung von positiver Verstärkung und anonymisierten Befragungen der Rekruten.

Für die langfristige Verbesserung der Situation bis zum Ende der Rekrutenschule sieht sein Plan vor:

  • Die Einrichtung eines Mentorensystems für Unteroffiziere.
  • Regelmässige Kaderschulungen zu Führungsthemen.
  • Die Überarbeitung der Kontrollmechanismen, um eine regelmässige, auch unangekündigte Präsenz des höheren Kaders sicherzustellen.
  • Teambuilding-Massnahmen und eine konsequente Dokumentation und Evaluation aller Vorfälle und Massnahmen.

Seine Kommunikationsstrategie ist differenziert und adressiert alle relevanten Gruppen: die Rekruten, die Kader, seinen Vorgesetzten und sogar die Eltern des betroffenen Rekruten (nach dessen Zustimmung).

Besonders gelungen ist der detaillierte Plan zum Umgang mit Wachtmeister Huber. Lt Meier schlägt hier ein Einzelgespräch vor, um dessen Motive zu verstehen, aber auch klare Grenzen zu setzen. Er will Hubers Führungsstärke und Charisma positiv nutzen, ihn aber gleichzeitig kontrollieren und ihm sowohl Konsequenzen bei weiteren Verstössen als auch Perspektiven bei positiver Entwicklung aufzeigen.

Ein weiterer herausragender Punkt ist die proaktive Auseinandersetzung mit der Anweisung seines Vorgesetzten bezüglich des Disziplinarstrafverfahrens. Lt Meier argumentiert fundiert, warum er ein sofortiges Verfahren gegen Huber für unverhältnismässig und kontraproduktiv hält. Er plädiert für ein Überdenken dieser Anweisung und schlägt stattdessen eine formelle mündliche Verwarnung und enge Begleitung Hubers vor, betont aber seine Bereitschaft zu einem Disziplinarverfahren bei weiteren Verstössen. Er besteht hier auf seinem Beurteilungsspielraum als Kompaniekommandant im Rahmen der Auftragstaktik.

Die Stärken der Antwort von Lt Meier sind zahlreich:

  • Umfassend und detailliert: Die Antwort deckt nahezu alle Aspekte der komplexen Problematik ab und bietet eine Fülle von konkreten, durchdachten Massnahmen.
  • Systemischer Ansatz: Lt Meier erkennt, dass es sich nicht nur um ein Einzelproblem mit Wachtmeister Huber handelt, sondern um systemische Schwächen in Führung, Kontrolle und Kultur. Seine Lösungen zielen daher auf nachhaltige Veränderungen ab.
  • Ausgewogenheit: Er versucht, eine Balance zwischen notwendiger Konsequenz und der Anerkennung positiver Aspekte (z.B. Engagement von Huber, Dynamik im UO-Korps) zu finden.
  • Führungshaltung: Lt Meier zeigt eine klare und verantwortungsbewusste Führungshaltung, insbesondere im Umgang mit seinem Vorgesetzten, wo er seinen Standpunkt mutig und gut begründet vertritt.
  • Praxisnähe: Viele Vorschläge sind sehr praxisnah und zeugen von einem guten Verständnis für die Realitäten des Dienstalltags (z.B. anonymisierte Befragungen, Mentorensystem, Reflexionsrunden).
  • Starke Selbstreflexion: Das abschliessende Fazit mit persönlichen «Learnings» zeigt eine hohe Bereitschaft zur Selbstreflexion und zum kontinuierlichen Lernen als Führungskraft.

Mögliche Schwächen:

  • Ressourcenintensität: Einige der vorgeschlagenen Massnahmen dürften ressourcenintensiv sein. Dies ist jedoch eher eine Herausforderung der Implementierung als der Konzeption.
  • Analyse vergangener Kommunikationsfehler: Während die Kommunikationsstrategie für die Zukunft sehr gut ist, könnte die explizite Analyse, warum die Kommunikation in der Vergangenheit versagt hat, pointierter sein – was auch der Begründung helfen könnte.

Schlussfolgerung

Die Antwort von Lt Ralph Meier stellt eine überzeugende Bearbeitung des komplexen Führungsszenarios dar. Sie zeichnet sich durch eine tiefgehende Analyse, eine klare Ausrichtung, eine Vielzahl konkreter und praxisnaher Massnahmen sowie eine gute Führungshaltung aus. Wie er die verschiedenen Facetten des Problems adressiert und miteinander verknüpft, ist vorbildlich.

Aus diesen Gründen wird die Antwort von Lt Ralph Meier als die beste der eingetroffenen Einsendungen gewürdigt. Sie bietet nicht nur eine Lösung für das spezifische Problem, sondern vermittelt darüber hinaus wertvolle Einblicke in eine moderne, reflektierte und verantwortungsbewusste militärische Führung. Wir gratulieren zu einem Exemplar von «Führung und das 3 Alpha Prinzip» von von Hans-Christian Witthauer und Thomas Saller.