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Leader's Digest Leader's Digest #6 Newsletter

Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #6

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss findet sich eine Würdigung der diskussionswürdigsten Handlungsempfehlung durch Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich.

Decision Game aus Leader’s Digest #6

Szenario

Die Schweiz befindet sich im Krieg. Gegnerische mechanisierte Verbände haben die Landesgrenze überschritten, ein Oberbefehlshaber der Armee wurde von der Bundesversammlung gewählt. Ein erster Angriff wurde vor wenigen Wochen gestoppt, dem Gegner ist es jedoch gelungen, einen Brückenkopf in ST. GALLEN, W begrenzt durch die SITTER, zu sichern. Der Militärische Nachrichtendienst geht davon aus, dass in den nächsten Tagen ein Ausbruch entlang der Hauptstrasse 7, parallel zur zerstörten A1, erfolgen wird.

Durch einen raschen und teilweise improvisierten Aufwuchs wurden die Armeebestände in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Dazu wurden Freiwillige, in erster Linie ehemalige Armeeangehörige, in Leichten Bataillonen zusammengefasst, von denen jeweils zwei die bestehenden Infanteriebataillone zu Regimentern verstärken. So auch das neu gebildete Gebirgsinfanterieregiment 29, das den oben beschriebenen Ausbruch mit seinen drei Bataillonen verhindern soll.

Darin hat das Gebirgsinfanteriebataillon 29 den Auftrag erhalten, den gegnerischen Stoss durch GOSSAU zu verhindern. Das Leichte Infanteriebataillon 72 verzögert den Übertritt über die SITTER im Raum ABTWIL – WINKELN, das Leichte Infanteriebataillon 86 verhindert die Umgehung über HERISAU.

Gegner

Als Gegner der ersten Staffel wird mit einem Mechanisierten Infanterieregiment gerechnet, das aus drei Infanteriebataillonen (jeweils 41 BMP-2) und einem Panzerbataillon (31 T-80U) besteht.

Eigene Mittel

Sie sind Kompaniekommandant der Gebirgsinfanteriekompanie 29/1. Zusätzlich zu Ihren drei Gefechtszügen mit jeweils vier Gruppen, die mit dem üblichen Gerät (1 Mg 12.7mm pro Zug, zusätzlich pro Gruppe 2 LMg 5.6mm, 2 Granatwerferaufsätze, 2 Zielfernrohre) und hinreichend Munition ausgerüstet sind, wurden Ihnen vor einigen Wochen zwei «leichte Züge» unterstellt. Diese bestehen jeweils aus rund 30 Freiwilligen, mehrheitlich ehemalige Armeeangehörige, Durchschnittsalter 40 Jahre, gestandene Bürgerinnen und Bürger mit variierender Fitness und variierender Militärerfahrung – vom Zivildienstler bis zum ehemaligen Kommandanten einer Füsilierkompanie. Sie sind mehrheitlich mit dem Sturmgewehr 90 bewaffnet, häufig aber auch mit dem Sturmgewehr 57 und vereinzelt mit Maschinengewehren und Maschinenpistolen aus Privatbesitz. Ferner ist Ihnen ein Spähertrupp zugewiesen, der in 1. Priorität über die Feuerkompetenz eines 8.1cm Mörserzugs verfügt. 12cm Bogenfeuer kann angefordert werden, ist jedoch nur auf Stufe Regiment verfügbar. Die bataillonseigene Drohnenwerkstatt stellt täglich rund 10 Drohnen her, die auf die Kompanien verteilt werden.

An Fahrzeugen sind 4 Geschützte Mannschaftstransportfahrzeuge GMTF, 4 Radschützenpanzer 8×8 Piranha II, 4 Lastwagen DURO und 1 Kommandoradschützenpanzer 6×6 (ohne FIS HE) verfügbar. Die weitere Mobilität wird durch Zivilfahrzeuge (Minibusse, Pickups, aber auch Bagger) sichergestellt, deren Requisition der Bataillonskommandant als Ortskommandant bereits angeordnet hat.

Auftrag

Auftrag Gebirgsinfanteriekompanie 29/1: Verhindert gegnerischen Stoss durch GOSSAU nördlich des DORFBACHS.

Aufträge der Nachbarkompanien:

Gebirgsinfanteriekompanie 29/2: Verhindert gegnerischen Stoss durch GOSSAU südlich des DORFBACHS, hält sich bereit Flanke aus Richtung HERISAU zu schützen.

Gebirgsinfanteriepanzerabwehrkompanie 29/3: Nutzt Gegner im Raum METTENDORF – MOOSWIES ab und kanalisiert ihn.

Fragestellung

  • Wie bereiten Sie die Ortschaft vor, wenn Sie 72h haben?
  • Wie positionieren Sie Ihre 5 Züge?
  • Welche Anträge stellen Sie betreffend Kanalisierung im Vorgelände (Kompanie 3) im Rahmen des taktischen Dialogs mit dem Bataillonskommandanten?

Als Lösung genügt eine Skizze mit Stichworten. Dazu sei an Brigadegeneral Gideon Avidor (IDF) erinnert: «During the Yom Kippur War, I served as a G3 officer at 252nd Divison Headquarters. In the course of twenty-three days of fighting, not a single written command was issued. All the battles, including crossing the Suez Canal, were conducted by means of graphic orders or orders issued over the radio».

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #6

Zum Decision Game vom Juni haben uns zwei Einsendungen erreicht. Die beiden Lösungen zeigen, dass sowohl eine akribische Beurteilung der Lage als auch eine pragmatische Analyse im Tischset-Format zu brauchbaren taktischen Entschlüssen führen.

Das vorliegende Szenario zeigt erneut, dass taktische Fragestellungen eine höhere Eintrittshürde mit sich bringen als ethische. Dies mag an der Vielfalt der Möglichkeiten liegen oder daran, dass es um unsere taktische Handlungssicherheit schlecht gestellt ist. Trotzdem haben uns zwei Einsendungen erreicht, die zeigen, dass durch eine gründliche Analyse und taktisches Denken klare Handlungsempfehlungen entwickelt werden können und dass hierzu das Format eines Tischsets ausreichend ist. Im Folgenden werden wir die verschiedenen Ansätze betrachten und ihre Stärken sowie Schwächen herausarbeiten.

Croquis von Mitterer/Walser

Gemeinsam ist beiden Einsendungen, dass sie den Gegner auf der Hauptstrasse 7 kanalisieren und dort vernichten wollen – mit entsprechenden Begehren an die Geb Inf Pzaw Kp 29/3 im Vorabschnitt. Die beiden Einsendungen schlagen dazu zwei naheliegende, aber unterschiedliche Aufstellungen der drei regulären Infanteriezüge vor, ich nenne sie hier «HINTEREINANDER» und «NEBENEINANDER».

In der ersten Variante sollen entlang der Hauptachse zwei Züge hintereinander aufgestellt werden, mit einem dritten Zug in der nördlichen Flanke, der sich für Gegenangriffe vor die jeweiligen Sperren bzw. Stützpunkte bereithält. Stärke dieser Variante ist die Freiheit des Handelns mit einem gut positionierten Zug für offensive Aktionen, Schwäche ist die Sicherheit, da auf eine seitliche Flankierung nördlich oder südlich der Hauptachse schlechter reagiert werden kann sowie die Problematik, dass bei einer Aufstellung hintereinander der Frontverband aus psychologischen Gründen wohl zu einer weniger hartnäckigen Kampfführung neigen dürfte – schliesslich weiss man ja die Sicherheit der Kameraden hinter sich. Dennoch kann diese Lösung durchaus als innovativer Ansatz gelesen werden.

Die alternative Variante ist die Anwendung des Einsatzverfahrens der Infanterie «Kampf in einer Sperrstellung im überbauten Gelände». Hier sind durch zwei Züge nebeneinander Stützpunkte auf zwei benachbarten Kreuzungen zu platzieren, mit einem dritten Zug rückgelagert, der sich wahlweise für eine Schwergewichtsverlagerung Richtung Süden oder Norden sowie für offensive Aktionen bereithält. In sich scheint mir dieser Ansatz, basierend auf der Geländeanalyse, passender, da der Gegner mehrere Parallelstrassen zur Hauptstrasse nutzen kann, die alleine durch passive Hindernisse nicht zu halten wären.

Zusätzlich zu den 3 regulären Zügen waren 2 Leichte Züge aus Freiwilligen verfügbar. Beide Einsendungen bilden daraus Züge in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Freiwilligen. Die Fitteren werden in der einen Lösung den bestehenden Zügen zur Verstärkung zugeteilt, in der anderen Lösung für den Flankenschutz HOFEGG sowie Aufklärung und Abnützung im Vorgelände. Die weniger Fitten werden jeweils für logistische Zwecke und Eigenschutz eingesetzt.

Interessant ist zudem der Hinweis einer Einsendung, dass die Anhöhe SONNENBERG ausserhalb des eigenen Raums dem Gegner Feuerpodeste für Panzer bietet, was einen Antrag zur Raumerweiterung zur Folge hätte. Damit müsste sogar die Regimentsabschnittsgrenze erweitert werden, was aber mit Blick auf das taktisch zusammenhängende Gelände tatsächlich angebracht ist.

Darüber hinaus wäre viel Gutes in beiden Varianten anzumerken und nur wenige Lücken. Auffällig ist etwa, dass beide darauf verzichten, die Brücken über den DORFBACH zu zerstören oder zumindest mit Hindernissen zu blockieren. Der Bataillonskommandant dürfte dabei allerdings mitschuldig sein, hat er doch die Kompanieabschnittsgrenze dem DORFBACH entlang gelegt, so dass sich keiner für die Übergänge verantwortlich fühlt. Dies müsste zwingend in der Bewegungs- und Hindernisführung auf Stufe Bataillon bereinigt werden.

Die Gesamtbeurteilung hängt nun von den Kriterien ab. Um das Engagement der wenigen taktisch Aktiven zu würdigen, entscheiden wir uns dieses Mal – und als Anreiz: wer weiss, vielleicht auch in Zukunft – zweierlei zu prämieren. Hptm Raphael Iselin gewinnt für den taktisch stärkeren und stringent begründeten Entschluss. Hptm Lukas Walser und Oblt Anna Mitterer haben mit Ihrer gemeinsamen Einsendung überzeugt, indem sie ihre prägnante und grafisch konzise Entschlussfassung auf dem Format «Tischset» konzentrierten. Damit soll unterstrichen werden, dass im Gefecht Einfachheit in Entschluss und Befehl ebenso relevant ist wie die taktische Güte. Wir gratulieren allen drei zum Gewinn des Tactical Decision Game #6 und wünschen ihnen viel Spass bei der Lektüre «Hammerstein oder der Eigensinn» von Hans Magnus Enzensberger. Unser Dank gilt auch all jenen Teilnehmern, die diese bei anderer Gelegenheit mit ihren Kameradinnen und Kameraden diskutiert haben.

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Update Führung: Juni 2024

Kriegstüchtig? Wo steht die Bundeswehr?

[Zeitschrift für Innere Führung 2/24, 05.2024, Bundeswehr]

Diese reichhaltige Ausgabe der Zeitschrift für Innere Führung der Bundeswehr bespricht unter anderem die Themen Gesamtverteidigung, Kriegstüchtigkeit, hybride Kriegsführung und Resilienz. Viele Fragen, die sich in Deutschland zum Thema Kriegstüchtigkeit stellen, tun dies so oder ähnlich auch der Schweiz und ihrer Armee bei der Wiedererreichung der Verteidigungsfähigkeit. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala stellt auf Seite 58 fest: «Wir [die Bundesrepublik] sind noch nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden. Dieses Mindset muss überall einsickern.»

Link: https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/publikationen

The Syrsky War: Ukraine’s Supreme Commander Is Betting on Drones, Patience and Discipline

[Kyiv Post, 04.2024, Stefan Korshak]

In this article, the author examines the changes the Armed Forces of Ukraine (AFU) have undergone since General Syrsky took over their command from General Zaluzhny. Especially with the AFU having suffered from shell hunger, they started to increasingly rely on drones and currently produce around 70’000 combat-ready FPV drones per month. In some Ukrainian brigades, there is now one full battalion of drone operators for every two battalions of infantry.

Link: https://www.kyivpost.com/post/31637

«Quanten-Computing, künstliche Intelligenz, synthetische Biologie, Nanotechnologie. Das alles kommt auf uns zu, ein Riesenhammer», sagt der NDB-Chef

[NZZ, 04.2024, Marcel Gyr, Georg Häsler, Susanne Goldschmid]

Der Chef vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB), Christian Dussey, spricht über die Herausforderungen, welche die Transformation des NDB mit sich bringt. Ähnlich verhält es sich auch in der Armee oder in Unternehmen: Der Wandel der Zeit erfordert eine Anpassung, aber oft fordert diese notwendige Anpassung die herrschende Führungskultur heraus. Dadurch werden Menschen innerhalb der Organisation verunsichert. Beim NDB ist dies insbesondere relevant, da verunsicherte Mitarbeiter ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellen. Dussey führt weiter aus, dass sich der NDB bereits in einem hybriden Krieg befinde, von welchem auch die Schweiz direkt oder indirekt betroffen sei.

Link: https://www.nzz.ch/schweiz/interview-mit-ndb-direktor-christian-dussey-ld.1824575

Führungsstärke in zwei Welten: Der Weg von Christoph Hürlimann

[Youtube Team Armee Live, 04.2024, Christoph Hürlimann, Mathias Müller]

In der heutigen Folge des offiziellen Podcasts der Schweizer Armee tauchen wir tief ein in die Welt von Christoph Hürlimann – einem Mann, der nicht nur als erfolgreicher Unternehmer bekannt ist, sondern auch als der älteste Bataillonskommandant der Schweizer Armee in Erscheinung tritt. Welche wertvollen Lektionen aus seiner Militärzeit konnte er in die zivile Welt übertragen? Christoph teilt mit uns seine kritischen Ansichten über die zunehmende Bürokratie innerhalb der Armee und diskutiert die interessante Perspektive, dass man Menschen zwar demotivieren, aber nicht motivieren kann. Dieses Gespräch bietet mehr als nur einen Einblick in das Leben eines aussergewöhnlichen Milizoffiziers; es ist eine Inspiration für jede und jeden, der die Bedeutung von Führung, Engagement und die Übertragung von militärischen Werten in das zivile Leben verstehen möchte.

Link: https://www.youtube.com/watch?v=3IR0OBYd1Ic

What is «Hybrid Warfare», Really?

[CEPA, 02.2021, Mark Voyger]

NATO defines «Hybrid threats» as a combination of «military and non-military as well as covert and overt means, including disinformation, cyber-attacks, economic pressure, deployment of irregular armed groups and use of regular forces». Hybrid methods are being used to «blur the lines between war and peace, and attempt to sow doubt in the minds of target populations. They aim to destabilise and undermine societies».1 Hybrid threats place challenging demands on military leaders. The leader’s information may be severely restricted, or he or she risks being deceived. Nevertheless, the need for the leaders to take rapid decisions still persists. This article serves as a starting point to understand the concept of hybrid threats and ways how one might be affected by it.

Link: https://cepa.org/article/what-is-hybrid-warfare-really/

The Commander’s Path to Victory: Communication without Comms

[Modern War Institute, 10.2023, Angus Fletcher, Tom Gaines]

The article is written from within the U.S. Armed Forces, which for the previous decades fought wars characterized by uncontested airspace and centralized and uncontested communications. Now, as the U.S. Armed Forces are preparing for a potential war with China, they are adapting to function even with fragmented communications. This is not just the case for the Army, all the three oldest warfighting domains within the U.S. Armed Forces are seeing an increasing adoption of mission command, the Army, the Navy, as well as the Air Force. The developments and lessons learned are not just relevant to the United States. In case of conflict, the Swiss Armed Forces may also have to operate with fragmented communications and would then have to rely more strongly on Auftragstaktik, on what English-speakers call Mission Command or Commander’s Intent. Especially notable is the article’s statement that «since commander’s intent requires leaders on both ends, transmitter and receiver, your communication chain must be populated with leaders. And since your communication chain extends throughout your entire organization, all your personnel—from top to bottom—need to be leaders».

Army: https://mwi.westpoint.edu/the-commanders-path-to-victory-communication-without-comms/

Air Force: https://www.airandspaceforces.com/air-force-doctrine-brown-decentralize/

Navy: https://www.navy.mil/Press-Office/Press-Releases/display-pressreleases/Article/3639874/cno-releases-priorities-americas-warfighting-navy/


Über das «Update Führung»

Das Update Führung ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

Falls Sie Lesenswertes zu Command, Leadership oder Management entdecken, würden wir uns freuen, wenn Sie dies mit uns teilen. Gerne nehmen wir Tipps für die kommende Ausgabe von Leader’s Digest via entgegen.

  1. https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_156338.htm ↩︎
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Buch des Monats: «Hammerstein oder Der Eigensinn» von Hans Magnus Enzensberger

Was ist die Kernaussage des Buches?

Herausragende Kommandanten besitzen andere Eigenschaften und Fähigkeiten als jene, die von (General-)Stabsoffizieren gefordert werden. Kommandanten müssen den Mut haben, sich ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Kleinigkeiten beiseite zu lassen. Zwangsläufig gehen sie damit aber auch ein Risiko ein, das Falsche als wesentlich zu erkennen – wie es General von Hammerstein möglicherweise ergangen ist.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die literarische Form des Totengespräches gibt dem Buch, ganz im Sinne Hammersteins, einen gewissen Eigensinn.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Eine romanhafte Abhandlung einer zentralen Figur in einem epochalen Umbruch kann gar nicht vollständig sein. So fehlt etwa die Kritik an der Untätigkeit Hammersteins, der aufgrund seines Einflusses auf Reichspräsident Hindenburg diesen möglicherweise hätte von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler abbringen können.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die sich mit der Rolle von Kommandanten auseinandersetzen oder sich für das Ende der Weimarer Republik interessieren.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Es hilft mir, die Rollen in meinem Bataillon stärker abzugrenzen. Was erwarte ich von meinen Stabsoffizieren? Was dürfen sie von mir erwarten? Zudem inspiriert es mich zum oben erwähnten Mut – auch wenn mir das häufig schlecht gelingt.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Als Biographie ist es zunächst dem Leadership-Aspekt zuzuordnen; es geht um den Menschen Hammerstein und seine Rolle, nicht nur als General, sondern auch als Familienvater. Darüber hinaus hätte Hammerstein vermutlich gesagt, der Fokus des Kommandanten liege auf dem Command und das Management sei vollständig dem Stab zu überlassen. Diese Grundhaltung kommt sehr deutlich zum Tragen.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass wir im Command-Bereich die grösste Schwäche aufweisen: Wie wollen wir den Auftrag erfüllen? Den Kadern fehlt die notwendige Handlungssicherheit für das Gefecht der verbundenen Waffen. Seit Beginn der Armee XXI haben wir in der Führungsausbildung ein viel zu grosses Gewicht auf die Verfahrenssicherheit, das heisst auf Management gelegt. Es wird Jahre in Anspruch nehmen, die Defizite ganzer Generationen zu korrigieren.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Dass wir im Leadership-Bereich, gerade bei den Unteroffizieren, Subalternoffizieren und Hauptleuten, sehr gute Voraussetzungen haben. In Anbetracht der kurzen Ausbildungszeit meistern die jungen Kader – Miliz und Berufsmilitärs – ihre anspruchsvollen Aufgaben in aller Regel sehr gut. Das spricht für eine funktionierende Basis.


Über den Rezensenten

Dr. oec. Patrick Hofstetter ist seit dem 01.01.2023 Dozent für Führung und Kommunikation der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich. Zuvor war er elf Jahre Berufsoffizier und drei Jahre Gründer und Leiter der Weiterbildungsakademie der Universität Luzern. Aktuell kommandiert er als Oberstleutnant im Generalstab das Gebirgsinfanteriebataillon 29.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.