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Decision Game und Handlungsempfehlungen aus Leader’s Digest #12

Die Decision Games des Leader’s Digest sollen die Abonnentinnen und Abonnenten dieses Newsletters anregen, sich im Rahmen von Szenarien in die Rolle von Personen zu versetzen, die sich mit ethischen bzw. taktischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Zunächst wiederholen wir das letztmalig vorgestellte Szenario; im Anschluss würdigt Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter, Dozent für Führung und Kommunikation, in Absprache mit seinem Forschungsteam der Militärakademie an der ETH Zürich, die diskussionswürdigste Handlungsempfehlung.

Decision Game aus Leader’s Digest #12

Szenario

Die SCHWEIZ ist seit Monaten im Krieg. Die offenen Kampfhandlungen beschränken sich auf die OSTSCHWEIZ, doch das gesamte Landesgebiet ist Ziel von Spionageaktionen und Anschlägen. Betroffen sind vor allem die Bundesverwaltung, internationale Organisationen und die öffentliche Versorgung.

Auch in der WESTSCHWEIZ ist die Lage instabil. Die Armee hat in besonders gefährdeten Gebieten die Raumverantwortung übernommen. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo der Gegner versucht, uns in unseren Bereitschaftsräumen zu behindern.

Im Raum CHANCY sind nach einem Anschlag mit einem mit Sprengstoff beladenen LKW mehrere Gebäude beschädigt und teilweise zerstört worden, unter anderem der Kommandoposten der Infanteriekompanie 65/2 und der Bahnhof in EPEISSES.

Die Hauptwasserleitung der Region wurde beim Anschlag beschädigt und flutete eine Tiefgarage, welche die reservierten Verkehrsträger für die mechanisierten Verbände gefährdet.

Der Kommandoposten des Infanteriebataillons 65 in EPEISSES wurde im darauffolgenden Chaos von Truppen einer terroristischen Gruppe, den ELTI, angegriffen. Dabei wurde das vorgeschobene Munitionsdepot getroffen und das Gebäude westseitig eingestürzt. Einzelne Strassen wurden teilweise blockiert.

Als Reaktion auf die Aktivitäten der ELTI hat die HeBü, eine unabhängig organisierte lokale Bürgerwehr, ihre Präsenz in der Region verstärkt.

Gegner

ELTI (ELBONIAN Tigers): Terrorgruppe

  • Handfeuerwaffen, vereinzelt panzerbrechende Waffen
  • MANPAD
  • Improvisierte Sprengladungen
  • Fähigkeit zu Anschlägen, Diebstahl von militärischem Gerät.

Irreguläre

HeBü (Helvetische Bürgerwehr): Paramilitärische Organisation mit ca 200 Angehörigen in der Region

  • Handfeuerwaffen, insbesondere ehemalige Armeewaffen (Sturmgewehr 90, Sturmgewehr 57, diverse Pistolen)
  • Privat beschaffte Schutzwesten
  • Absperrmaterial, zum Teil im Privateigentum, zum Teil der Gemeinden
  • Lastwagen, Lieferwagen, Kleinbusse
  • Fähigkeit zur Nachrichtenbeschaffung in der Bevölkerung aufgrund der lokalen Verankerung

Eigene Mittel

Sie kommandieren eine Rettungskompanie:

  • 1 Kommandozug
  • 3 Rettungszüge
  • 1 Unterstützungszug

Die Rettungskompanie ist mit persönlichen Waffen (Sturmgewehren und Pistolen) ausgerüstet. Sie verfügen über technische Ausrüstung, bestehend aus:

  • 3 Rettungszugsortimenten mit Kleingeräten für Trümmerrettungen,
  • 2 Sortimente Trümmereinsatz mit spezifischen Mitteln zur Trümmerrettung,
  • 2 Wassertransporter und
  • 3 Brandeinsatzsortimenten mit jeweils einem Kilometer Schlauch.

Auftrag

Die Rettungskompanie setzt im Dorf EPEISSES ein (Trümmerrettung), schützt und hält (Wassertransport und Brandbekämpfung) den reservierten Verkehrsträger.

Umwelt

Das Dorf EPEISSES befindet sich in einem Geländekessel. Es beinhaltet einen Bahnhof mit Gütertransport, ein Tanklager (eine Zisterne), ein Einkaufszentrum sowie diverse Geschäfts- und Wohninfrastruktur. Ebenfalls befindet sich im Dorf der Kommandoposten des Infanteriebataillons 65 sowie der Kommandoposten der Infanteriekompanie 65/2.

Zeitverhältnisse

Einsatzbeginn sofort, Voraussichtliche Einsatzdauer 48 Stunden

Fragestellung

  • Wie würden Sie in der Rettung vorgehen? Wie lautet ihre Befehlsausgabe?
  • Welche Massnahmen treffen Sie gegen die ELTI?
  • Wie gehen Sie mit der HeBü um?

Handlungsempfehlungen zum Decision Game aus Leader’s Digest #12

Zum Decision Game vom Dezember haben uns zwei Einsendungen erreicht. Die eingereichten Lösungen zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit der moralischen und politischen Fragestellung und verdeutlichen die vielschichtige Komplexität der hier vorliegenden Problematik.

Zum TDG#12 sind zwei Lösungsvorschläge eingegangen, die sich in einem wesentlichen Punkt unterscheiden, nämlich dem Umgang mit der Helvetischen Bürgerwehr. Diese fiktive Organisation wurde im methodischen Rahmenwerk «LU-17» eingeführt und beschreibt irreguläre Kräfte, die der Schweiz und damit der Armee tendenziell freundlich gestimmt sind. In Übungen wird die HeBü geschildert, um die Truppe zu sensibilisieren, dass nicht jeder Irreguläre automatisch einen Gegner darstellt. Mit Blick auf die Bedeutung der Freiwilligenverbände in der Verteidigung der Ukraine stellt sich auch für die Schweiz die Frage, wie mit freundlich gesinnten, aber irregulären Kräften umgegangen werden sollte. Die beiden Lösungsvorschläge führen jeweils glaubhafte Argumente ins Feld, kommen aber zu unterschiedlichen Schlüssen.

Hptm I. fasst seine Haltung in einem Absatz zusammen: «Die Zusammenarbeit müsste durch den bereits andauernden Krieg in den Rules of Behavior (RoB) geregelt und dem Kp Kdt bekannt sein. In der Ukraine wurden die anfänglichen ‹Volunteer Battalions› als die ‹Territorial Defense Forces› ein offizieller Teil der ukrainischen Streitkräfte. Auch die Schweiz wird nach Monaten des Krieges nur schwer auf tausende Freiwillige verzichten können. Deshalb gehe ich sehr stark davon aus, dass eine Zusammenarbeit erlaubt wird. Für eine erste und zweite Phase möchte ich im Schadensgebiet nur AdA und direkt Betroffene. Damit wir die chaotische Situation nicht noch unübersichtlicher, und eine mögliche Infiltration durch ELTI erschwert.» Es handelt sich dabei um eine differenzierte Nutzung der Ressource «HeBü».

Lt M. führt ausführlichere Bedenken zur Frage «Wie gehen Sie mit der HeBü um?» aus: «Ihre emotionale und energetische Stimmung ist schwer zu kontrollieren. […]. Eine Einbindung der HeBü-Mitglieder in zivile Hilfeleistungen ausserhalb der Kernzone wäre aber meiner Meinung nach tragbar. Weitere Begründungen für ein operative Distanzierung: Die Armee hat ein staatliches Gewaltmonopol, […] die HeBü eine selbsternannte Organisation ohne offizielle Legitimation […]. Weiter hat die HeBü eine unklare Befehlsstruktur, keine standardisierten Einsatzverfahren und keine gesicherte Kommunikation […]. Ein unbekannter Ausbildungsstand […] sowie ein potentielles Risiko von Eigengefährdung […] unklare Loyalitäten einzelner HeBü-Mitglieder […] Gefahr in einem unerwünschten Informationsabfluss […].»

Beide Autoren setzen sich spezifisch und differenziert mit dieser Fragestellung auseinander. Es gilt zu hoffen, dass diese Fragen vor einem Krieg in der Schweiz durch die strategische Führungsebene entschieden werden, damit sich nicht Einheitskommandanten dieser Frage stellen müssen.

In der Sache teile ich die Perspektive von Hptm I.; ich erachte es als ausgeschlossen, die Schweiz mit dem aktuellen Armeebestand und ohne Integration von oder Kooperation mit Freiwilligen zu verteidigen – entsprechende Konzeptionen kennt die Schweiz aus ihrer Geschichte, man denke etwa an die Ortswehren. In der Beantwortung des TDG werte ich allerdings die Lösung von Lt M. höher, da er die Probleme im Umgang mit Irregulären sehr differenziert ausarbeitet. Selbst wer bereit ist die HeBü als potentiellen Partner der Armee zu verstehen, kommt nicht darum herum, sich den entsprechenden Risiken anzunehmen. Zudem hat Lt M. in seiner Lösung weitere geschickte Überlegungen angestellt, etwa die Anforderung von Spezialisten und einen übersichtlichen Kartenentschluss. Auf beides soll hier nicht eingegangen werden, aber es ist ausreichend, damit Lt Ralph Meier den Preis des Buches «Positive Leadership» von Dr. Markus Ebner aus dem Newsletter #12 erhält. Wir gratulieren herzlich.

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Buch des Monats: «Positive Leadership» von Dr. Markus Ebner

Was ist die Kernaussage des Buches?

Im Grundsatz geht es um den Ansatz von positiver Führung mit der dazugehörigen Auswirkung auf Menschen respektive Mitarbeitende. Neben einigen Grundlagen des positiven Leadership wird das PERMA Lead Konzept beschrieben, inklusive einigen Praxisbeispielen. PERMA steht dabei für «Positive Emotions», «Engagement», «Relationships», «Meaning» und «Accomplishment».

Durch die permanente Arbeit der Führungskraft in diesen Bereichen gelingt es ihr, ein positives Umfeld hinsichtlich High Performance zu gestalten.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Ich bin Fan des «nachhaltigen» Leadership. Natürlich kann auch Bad Leadership erfolgreich sein, dies ist aber nicht mein Weg. Durch die Ausführungen rundum positive Leadership in Verbindung mit PERMA werden einem fünf Dimensionen geöffnet, mit welchen man gemeinsam Ziele mit seinem Umfeld auf positive Art erreichen kann.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein, das Buch ist für mich in sich geschlossen und wissenschaftlich untermauert.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Das Buch richtet sich an alle, welche ihr Umfeld auf eine positive Art verändern wollen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Ich versuche die positive Führung auch in meinen militärischen Alltag einzubauen. Auch wenn mal was nicht klappt – rumschreien und negative Stimmung verbreiten haben sich selten als Mehrwert bestätigt. Durch einen positiven Umgang entstehen Verbindungen, welche allenfalls in einem Ernstfall entscheidend sein können.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Ich würde meinen, dass positive Leadership im Zusammenhang mit PERMA am ehesten auf den Leadership-Bereich einzahlt. Geht es doch dabei primär um den Menschen auf dem Weg zu High Performance.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Schlechte Stimmung wirkt sich negativ auf Vertrauen, Motivation und Arbeitseinstellung aus. Hier ist jeder Leader in der Pflicht. In hierarchischen Organisationen ist aus meiner Sicht die Gefahr von einem Leadership-Stillstand gross, vor allem wenn die eigene Vorstellung vom Vorgesetzten abweicht und eine gewisse Abhängigkeit vorfindet.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Junge Kader lassen sich nicht mehr alles gefallen und verstehen das Verhalten von alten Leadership-Theorien ohne Sinnvermittlung nicht. Dies macht mich zuversichtlich, dass wir auf alle Bereiche positive Akzente setzen können.


Über den Rezensenten

Oberstlt Joël Mattle hat seinen militärischen Einstieg bei den Genietruppen (unter anderem bei den Bootschützen) gefunden und später dann ab Stufe Bataillon den Fokus zu den Rettungstruppen verlegt. So kommandiert er seit diesem Jahr das Rettungsbataillon 4.

2012 hat er den Bachelor in Staatswissenschaften an der ETH Zürich (MILAK) abgeschlossen und hat anschliessend 2022 einen Master in Digital Business an der HWZ erreicht.

Beruflich arbeitet Joël Mattle aktuell als Kommandant Stellvertreter am Kompetenzzentrum Sport der Armee mit einem Fokus auf Sportdoktrin. Er ist verantwortlich für sportify im Departement Verteidigung und arbeitet an zahlreichen Projekten, wie zum Beispiel der Ready App.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.