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Leader's Digest Leader's Digest #8 Newsletter

Buch des Monats: «Strategie – Die Logik von Krieg und Frieden» von Edward Luttwak

Was ist die Kernaussage des Buches?

Luttwaks Überlegungen zur Logik von Krieg und Frieden setzen systematisch bei den – linear gedacht – unlogischen Paradoxien, Ironien und Widersprüchen praktizierter Strategie an.

Der erste Teil seines Buches widmet sich den Grundzügen der bereits in dem Satz «Si vis pacem, para bellum» zum Ausdruck kommenden paradoxen Logik der Strategie. Anhand kenntnisreich ausgewählter Beispiele aus der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts weist er nach, dass die gesamte Strategie von paradoxer Logik durchzogen ist, «die regelmässig gegen die gewöhnliche lineare Logik verstösst, indem sie die Gegensätze zusammenfallen lässt und umkehrt». Paradoxes Verhalten wird dabei häufig belohnt – geradlinig-lineares nicht selten bestraft.

Der zweite Teil des Buches widmet sich fünf «vertikalen Dimensionen» der Strategie, auf denen jeweils eine «dynamische Logik von Aktion und Reaktion» zum Tragen kommt. Der Begriff Strategie wir dabei allgemein verstanden als die Regelung und die Folgen menschlicher Beziehungen im Kontext tatsächlicher oder möglicher bewaffneter Konflikte. Die Komplexität strategischen Handelns zeigt sich insbesondere in den vertikalen und horizontalen Interdependenzen, beispielsweise im Rahmen vertikaler Erfolge bei gleichzeitig horizontalem Scheitern.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Luttwak ist im besten Clausewitzschen Sinne «verweilende kritische Betrachtung». Die sorgfältig recherchierten historischen Beispiele sind vortrefflich geeignet, das Urteilsvermögen des Lesers zu schärfen.

Wer bei Luttwak nach konkreten Lösungsansätzen oder gar Rezeptlösungen sucht, wird enttäuscht. Dennoch ist das Erkennen der non-linearen Dominanz in der strategischen Denklogik ein wichtiger Grundbaustein militärischen Denkens und steht teilweise im völligen Kontrast zur oft vorherrschenden Wettbewerbslogik.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Luttwaks Wertungen sind im Einzelnen sicherlich immer wieder angreifbar. Der Verweis auf nicht intendierte Folgen, die Verkehrung von Friedensbemühungen ins Gegenteil sowie die mannigfachen Paradoxien auf allen Ebenen der Strategie mögen den Leser zunächst verunsichern, da es manch konventionelle Sichtweise in Frage stellt. Dem Buch fehlt zudem ein Modell, welches die machpolitischen Mechanismen und Interdependenzen strategischer und taktischer Handlungen vereinfacht visualisiert.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Sie richtet sich an alle, die sich mit Aspekten der Sicherheitspolitik, Militärstrategie, operativen Fragen oder taktischen Herausforderungen beschäftigen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Es stellt für mich nach wie vor ein Schlüsseldokument beim Verständnis strategischer Handlungslogik und den Grundsätzen des Taktierens dar.

Die zentrale Bedeutung non-linearen Handelns in der Strategie und Taktik wird nachvollziehbar und verständlich aufgezeigt.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Schwergewichtig dem Command-Bereich auf allen Stufen. Das Buch zeigt eindrücklich, warum strategisches, operatives und taktisches Handeln einer äusserst komplexen und teilweise paradoxen Logik folgen und daher nur bedingt planbar oder gar prognostizierbar sind (dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht geplant wird, es ist nur die Frage wie, in welcher Tiefe und um welche Voraussetzungen zu schaffen – nicht Planungssicherheit, sondern möglichst günstige Handlungsvoraussetzungen), denn strategische und taktische Handlungen erfolgen meist in rascher Abfolge von Handeln, Wirkungsbeurteilung und zweckmässiger Anpassung.

Es geht also weniger um einen «perfekten» Plan oder um allgemeingültige Lösungen die weit im Voraus generiert werden, sondern darum, auf allen Stufen das grosse Ganze zu verstehen und Voraussetzungen zu schaffen möglichst rasch und flexibel Entscheidungen dezentral zu treffen.

So wird mit Luttwak indirekt einerseits das Verständnis der unterschiedlichen Rollen von Leader und Manager im militärischen Kontext (im Frieden wie im Krieg) geschärft und andererseits zwingt es uns in der Folge (nicht aber Inhalt des Buches) herkömmliche Führungs- und Leadership-Grundsätze der Armee kritisch zu hinterfragen.

So verdeutlicht sich beispielsweise der Bedarf eines Wandels gerade im Bereich der Führungs-, Lern- und Innovationskultur und zwar nicht primär aufgrund immer dynamischeren Marktentwicklungen oder einer Anpassung militärische Führung an Gegebenheiten in der Wirtschaft, sondern aufgrund einer sehr ursprünglichen Militärlogik.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Die Herausforderung der Schweizer Armee sehe ich primär darin, dass wir aufgrund unserer geringen Krisen- und Konflikterfahrung, die eigentliche Wesensart von Entscheidungen in kriegerischen Auseinandersetzungen im etablieren des Führungsdenkens (militärisches Mindset) generell vernachlässigen.

Die Fähigkeit zum strategischen und taktischen Denken, wie beispielsweise der Pragmatismus im Einsatz, die zentrale Bedeutung von Flexibilität, Initiative, Kreativität, Innovation und Antizipation, werden weder bei der Wahl militärischen Führungspersonen gefordert (z.B. im Rahmen der Selektion) noch gezielt geschult.

Das Einhalten klar vorgegebener Führungsprozesse wird in der Regel höher gewichtet als taktisches Denken. Dabei sind in Führungslehrgängen, Kursen und Übungen der Umgang mit Unsicherheit / Unklarheit meist kaum ein Thema (sprich lieber Klarheit als Wahrheit…).

Offiziere werden so zu «Uhrmachern», welche daran gemessen werden wie gut (Zeit-) Pläne aufgehen und Friktionen und Risiken vermieden werden, und zu «Anwälten», die sich stark an Reglementsziffern orientieren.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Am Anfang von Veränderungen steht entweder die Attraktivität des Neuen oder die Erkenntnis des Handlungsbedarfs.

Dabei verdeutlicht Luttwak generelle Aspekte der Strategie, welche nicht nur Anpassungen in der militärischen Führungsausbildung erfordern, sondern auch bei der Weiterentwicklung der Armee berücksichtigt werden sollten. Weil für eigenständiges und eigenverantwortliches Handeln vor allem ein verbessertes Gesamtverständnis erforderlich ist, kann das Buch auf allen Stufen einen Beitrag zur Ausbildung und Befähigung militärischer Führungskräfte leisten. Dabei hilft der Beispielsreichtum der Veranschaulichung und dem Verständnis.


Über den Rezensenten

Oberst i Gst Dominik Belser ist seit 2022 Kommandant der Panzer/Artillerie Offiziersschule 22 und hatte auch bereits zuvor das Privileg, zahlreiche Führungspositionen zu bekleiden. Seit 2022 ist er zudem stellvertretender Kommandant Heer, wo er sich vor allem durch seine fundierten Kenntnisse im Bereich der Panzerführung auszeichnen kann. Neben seiner militärischen Karriere widmet sich Dominik Belser gerne der Öl- und Aquarellmalerei, spielt Klavier oder hält sich durch Fitnessaktivitäten aktiv.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #7 Newsletter

Buch des Monats: «Power to the Edge: Militärische Führung im Informationszeitalter» von David S. Alberts und Richard E. Hayes

Was ist die Kernaussage des Buches?

Erste Überlegungen zu vernetzter Operationsführung und den Implikationen durch Digitalisierung und Informationen für den militärischen Führer. Es geht am Ende um Selbstsynchronisation, da nur so der Komplexität Rechnung getragen werden kann. Es werden Prinzipien für die Führung und Kontrolle im Informationszeitalter aufgezeigt.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die Fortführung der Auftragstaktik und die Möglichkeit der Integration des technologischen Fortschritts in die militärische Führung.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Es geht im Kern um die Bereiche Command und Management. Leadership kommt explizit etwas zu kurz, kann aber abgeleitet werden.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die ein militärisches Kommando oder eine Führungsfunktion in der Gesellschaft übernehmen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Für die Entwicklung des Führungsverständnisses der Schweizer Armee und für die Horizonterweiterung.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Dieses Buch zeigt exemplarisch auf, woher unser CLM-Ansatz kommt, wie er abgeleitet werden kann und wie folgerichtig er ist.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Walk the talk, respektvoller und achtsamer Umgang und Ausrichtung aller Kader auf Leadership.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Da wir eine Milizarmee sind, werden wir immer durch die Entwicklungen der Zivilgesellschaft durch die Miliz beeinflusst und können unsere Überlegungen über unsere Soldaten und Kader weitergeben.


Über den Rezensenten

Oberst i Gst Niklaus Jäger hat als Teilnehmer des LGAN 2018 in Hamburg nicht nur an der Helmut-Schmidt-Universität einen Masterstudiengang belegt, sondern auch im Rahmen des Generalstabslehrganges den 60. ASTO (Marinelehrgang) absolviert. Das Denken in Sealines of Communications und in Flaggenstöcken ist mehr als horizonterweiternd. In diesem Sinne ist er auch Segler und begeisterter Wassersportler.

Über das «Buch des Monats»

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Leader's Digest Leader's Digest #6 Newsletter

Buch des Monats: «Hammerstein oder Der Eigensinn» von Hans Magnus Enzensberger

Was ist die Kernaussage des Buches?

Herausragende Kommandanten besitzen andere Eigenschaften und Fähigkeiten als jene, die von (General-)Stabsoffizieren gefordert werden. Kommandanten müssen den Mut haben, sich ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Kleinigkeiten beiseite zu lassen. Zwangsläufig gehen sie damit aber auch ein Risiko ein, das Falsche als wesentlich zu erkennen – wie es General von Hammerstein möglicherweise ergangen ist.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die literarische Form des Totengespräches gibt dem Buch, ganz im Sinne Hammersteins, einen gewissen Eigensinn.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Eine romanhafte Abhandlung einer zentralen Figur in einem epochalen Umbruch kann gar nicht vollständig sein. So fehlt etwa die Kritik an der Untätigkeit Hammersteins, der aufgrund seines Einflusses auf Reichspräsident Hindenburg diesen möglicherweise hätte von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler abbringen können.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die sich mit der Rolle von Kommandanten auseinandersetzen oder sich für das Ende der Weimarer Republik interessieren.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Es hilft mir, die Rollen in meinem Bataillon stärker abzugrenzen. Was erwarte ich von meinen Stabsoffizieren? Was dürfen sie von mir erwarten? Zudem inspiriert es mich zum oben erwähnten Mut – auch wenn mir das häufig schlecht gelingt.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Als Biographie ist es zunächst dem Leadership-Aspekt zuzuordnen; es geht um den Menschen Hammerstein und seine Rolle, nicht nur als General, sondern auch als Familienvater. Darüber hinaus hätte Hammerstein vermutlich gesagt, der Fokus des Kommandanten liege auf dem Command und das Management sei vollständig dem Stab zu überlassen. Diese Grundhaltung kommt sehr deutlich zum Tragen.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass wir im Command-Bereich die grösste Schwäche aufweisen: Wie wollen wir den Auftrag erfüllen? Den Kadern fehlt die notwendige Handlungssicherheit für das Gefecht der verbundenen Waffen. Seit Beginn der Armee XXI haben wir in der Führungsausbildung ein viel zu grosses Gewicht auf die Verfahrenssicherheit, das heisst auf Management gelegt. Es wird Jahre in Anspruch nehmen, die Defizite ganzer Generationen zu korrigieren.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Dass wir im Leadership-Bereich, gerade bei den Unteroffizieren, Subalternoffizieren und Hauptleuten, sehr gute Voraussetzungen haben. In Anbetracht der kurzen Ausbildungszeit meistern die jungen Kader – Miliz und Berufsmilitärs – ihre anspruchsvollen Aufgaben in aller Regel sehr gut. Das spricht für eine funktionierende Basis.


Über den Rezensenten

Dr. oec. Patrick Hofstetter ist seit dem 01.01.2023 Dozent für Führung und Kommunikation der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich. Zuvor war er elf Jahre Berufsoffizier und drei Jahre Gründer und Leiter der Weiterbildungsakademie der Universität Luzern. Aktuell kommandiert er als Oberstleutnant im Generalstab das Gebirgsinfanteriebataillon 29.

Über das «Buch des Monats»

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Leader's Digest Leader's Digest #5 Newsletter

Buch des Monats: «The AI Commander: Centaur Teaming, Command, and Ethical Dilemmas» von James Johnson

Was ist die Kernaussage des Buches?

Das Buch beschäftigt sich mit der Frage, was die Folgen des Einbezugs künstlicher Intelligenz in Kriegspraktiken sind und inwiefern dies das Führungshandwerk beeinflusst. Die Möglichkeiten konstruktiver Zusammenarbeit menschlicher und künstlicher Intelligenz sind vielfältig und die Erwartungen sind hoch. Gerade im militärischen (und sicherheitspolitischen) Umfeld müssen Chancen und Risiken aber differenziert betrachtet werden. Unter dem Strich ist menschliche Intelligenz mit KI-Kompetenz aber unabdingbar.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Johnson bildet ein Gegengewicht zur anhaltenden KI-Modewelle: Es ist fraglich, ob KI menschliche Entscheidungsträger überhaupt sinnvoll ergänzen kann. Zudem zeichnet er ein differenziertes Bild davon, wie strategisches Denken mit kontrafaktischen Ansätzen funktioniert, um nicht-linearen Dynamiken Herr zu werden.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Es ist das neue Standardwerk über militärische Entscheidungsfindung und KI. Unbedingt weiterdenken sollte man aber die militärethischen Implikationen sowie die Details kontrafaktischen Denkens.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

Zunächst an alle Führungskräfte, die KI-gestützte Systeme anschaffen, implementieren oder anwenden werden. Zudem ist die Lektüre interessant für militärstrategisches und strategisches Denken.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Hier geht es um Themen, welche den militärischen Führungsalltag noch nicht betreffen – aber doch grosse Probleme mit sich bringen, wenn sie nicht früh genug bedacht werden.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch stellt Command-Aspekte ins Zentrum. Leadership kommt kaum zum Zug und Management gar nicht.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

In der Militärsoziologie gibt es seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Ausprägungen der Idee, dass es eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen der zivilen (d. h. demokratischen) Gesellschaft und militärischen Organisationen mit ihren hierarchischen Strukturen gibt. Es ist eine zentrale Aufgabe der Sicherheitspolitik eines Landes, das Gleichgewicht zwischen den beiden Seiten herzustellen bzw. zu wahren.

Krieg muss gedacht und vorbereitet werden, ohne dass er erlebt wurde. Gleichzeitig muss das zivil-militärische Gleichgewicht gewahrt bleiben. In der Koordination dieser beiden sehe ich eine grosse Herausforderung.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Der Faktor Mensch muss optimal eingesetzt werden. Dies nicht nur im militärischen Alltag, sondern auch in Bezug auf das Beschaffen und Implementieren neuer Technologien sowie mit Blick auf verlässliche Verbindungen zwischen Militär, Politik, Wirtschaft und Zivilbevölkerung.

Nur so können Legitimitätsfragen an militärische Organisationen in demokratischen Gesellschaften einer sachlichen Beantwortung zugeführt werden.


Über den Rezensenten

Geboren 1982 in Brig-Glis (VS), studierte Dr. Florian Demont Anglistik und Philosophie an der Universität Basel und erreichte seinen Master durch Forschung in Philosophie an der University of Birmingham sowie Forschung am King’s College London. Anschliessend promovierte er in Sprachphilosophie an der Universität Zürich. Seit 2013 ist er wissenschaftlicher Assistent der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. In Lehre und Forschung konzentriert er sich auf Führungsethik, Militärethik, Leadership Studies und Wertetheorie.

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #4 Newsletter

Buch des Monats: «Concrete Hell: Urban Warfare from Stalingrad to Iraq» von Lou DiMarco

Was ist die Kernaussage des Buches?

Dass die taktische und die strategische Stufe der Kriegsführung für den Erfolg auf dem Schlachtfeld entscheidend sind, wegen mangelndem Verständnis zwischen den Stufen jedoch immer wieder grobe Fehler passiert sind.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Mir gefällt die einfache, nüchterne Beurteilung von teilweise epischen Fehlentscheiden.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein. Mir gefällt das sehr kurze auf den Punkt Kommen und die schonungslose Analyse.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, die das Schlachtfeld von übermorgen verstehen wollen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Weniger im Führen, dafür umso mehr im Verstehen von Entscheiden in komplexen Situationen.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

In den einzelnen Kapiteln werden mehrere CLM-Aspekte beschrieben.

«Listen to the men on the ground» spricht den Fokus Mensch (Leadership) an.

«I don’t bite the feeding hand» erinnert daran, dass wir Teil einer Organisation sind (Management).

Insgesamt geht es im Buch um Auftragserfüllung bzw. Versagen (Command).

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass die obere taktische Stufe ihre Rolle als dienende Rolle («Servant Leadership») versteht und wegkommt von althergebrachtem Feldherrentum.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

In einer Kultur der flachen Hierarchie, die wir in einzelnen Truppengattungen (Spezialkräfte) schon kennen und insbesondere in der Miliz auch leben.


Über den Rezensenten

Maj Philipp Scherrer ist Berufsoffizier am Kommando Lehrgänge und Kurse des Ausbildungszentrums der Armee.

Sein Motto lautet: «Dem Gegner keine Chance bieten, aber trotzdem vorbereitet sein überrascht zu werden». Er führt aus: «Dem Gegner keine Chance bieten, bedeutet keine Zielscheibe zu sein und reicht von Cyber bis zum Ausheben eines Schützenloches (der Gegner hat die Absicht und das Potential, jetzt braucht er nur noch Gelegenheiten). Weil das nie lückenlos funktioniert, müssen wir vorbereitet sein überrascht zu werden. Auch das beginnt bei Cyber und endet im Begegnungsgefecht, mit Beschuss durch Heckenschützen kombiniert mit Sprengstoffanschlägen. Dies betrifft alle Angehörigen der Armee, die sich ausserhalb von geschützten Zonen bewegen können müssen».

Über das «Buch des Monats»

Das «Buch des Monats» ist eine wiederkehrende Rubrik des Newsletters Leader’s Digest. Dieser Newsletter entsteht in Kooperation des Leadership Campus der Schweizer Armee und der Dozentur Führung und Kommunikation der Militärakademie an der ETH Zürich. Wenn Sie Leader’s Digest noch nicht abonniert haben, finden Sie unter folgendem Link weitere Informationen sowie das Formular zur Anmeldung.

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Leader's Digest Leader's Digest #3 Newsletter

Buch des Monats: «Team of Teams: New Rules of Engagement for a Complex World» von Stanley McChrystal et al.

Was ist die Kernaussage des Buches?

Unter anderem die technologischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte führten zu einer immer interdependenteren, schnelllebigeren, komplexeren und weniger vorhersehbaren Welt, in der sich Organisationen und Führungspersonen permanent in und an die sie umgebende Umwelt anpassen und Widerstandsfähigkeit entwickeln müssen.

Die schnelle Anpassungsfähigkeit von Denkweisen, Prozessen und Strukturen in komplexen, sich rasch wandelnden Kontexten und Netzwerken ist heute für den Erfolg entscheidend.

Dazu werden eine Organisationskultur und -struktur benötigt, die sich weg von starren Hierarchien und «Silo-Denken» hin zu einer «Team of Teams»-Struktur (eine Art Netzwerkorganisation) entwickeln. Die Eigenschaften und Merkmale von (erfolgreichen) Teams sollen auf die gesamte Organisation erweitert werden.

Eine «Team of Teams»-Kultur entsteht durch die Verinnerlichung des gemeinsamen Zwecks (common purpose), den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen (building trust) und die Schaffung eines gemeinsamen Bewusstseins (shared consciousness). Dazu sind ein ganzheitliches Verständnis für das Zusammenspiel aller Teams sowie umfassend geteilte und transparente Informationen (shared information) notwendig.

Konsequenzen für das Selbstverständnis von Führungspersonen sind: Der Ansatz, wie ein «Schachmeister» führen zu wollen, der jeden Zug der Organisation kontrolliert, soll der Herangehensweise eines «Gärtners» weichen; einer Führungsperson, die eher ermöglicht und befähigt als anleitet, und die durch persönliches Beispiel wirkt. Die Führungskraft agiert in einem solchen Kontext eher als «Eyes-On, Hands-Off»-Ermöglicherin, die ein Umfeld schafft und aufrechterhält, in dem die Teams eigenverantwortlich und dezentral operieren und entscheiden können (empowered execution). Dazu gehört eine Kultur, die Zusammenarbeit, Systemdenken, individuelle Initiative und kritisches Denken fördert.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Anhand von zahlreichen persönlichen Erfahrungen von General Stanley McChrystal, u.a. als Kommandant der Joint Special Operations Task Force im Irak, und historischen Beispielen (u.a. Admiral Nelson, Frederick Winslow Taylor, Alexis Tocqueville) vermittelt das Buch vielfache Gedankenanstösse zu Elementen einer Organisations-, Führungs- und Entscheidungskultur sowie einem Führungsverständnis in einem komplexen, sich rasch verändernden Umfeld/Kontext.

Es zeigt konkrete Beispiele der Umsetzung auf, verschweigt dabei aber nicht die Herausforderungen der Konkretisierungen der Schlüsselwörter bzw. Schlüsselkonzepte (Vertrauen und gemeinsames Bewusstsein aufbauen, Adaptionsfähigkeit und Resilienz entwickeln, etc.).

Speziell lesenswert sind die Passagen, in denen General McChrystal seinen Weg von der Vorstellung der Führungsperson als «heroische Führungskraft» zum «bescheidenen Gärtner» sowie die Bedeutung von Führung durch Vorbild reflektiert.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Die Argumentation des Buches ist stringent und liefert konkrete Umsetzungsvorschläge und Beispiele, schwergewichtig – aber nicht nur – bezogen auf Führung und Organisation in Extremsituationen.

Die Autoren erheben gleichwohl auch den Anspruch, in ihrem Buch einen Ansatz zu skizzieren, der es allgemein einer (beliebigen) Organisation ermöglichen soll, sich an neue Anforderungen anzupassen und Erfolg zu haben (das letztlich alles entscheidenden Ziel). Organisationen haben jedoch unterschiedliche Rollen, Grössen, Zwecke sowie Aufträge und agieren in ihrem je spezifischen Kontext und «Ökosystem». Erfolg wird daher anhand unterschiedlicher Kriterien definiert. Auch ist die gesellschaftliche Bedeutung von einzelnen Organisationen unterschiedlich. Interessant für mich wäre, noch vertieftere Überlegungen von den Autoren zu den Kriterien von Erfolg und der Relevanz von unterschiedlichen Organisationen für die Gemeinschaft zu erhalten.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An Personen, die sich Gedanken zur eigenen Organisations- und Führungskultur machen oder ihr eigenes Führungsverständnis reflektieren wollen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Indem es mir half, unsere militärische Führungskultur und mein eigenes Führungsverständnis zu reflektieren.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch liefert zu allen drei Teilaspekten des CLM Modells Inputs: zum Beispiel Gedanken zur Auftragstaktik (Command), zur Bedeutung des Vertrauens (Leadership) sowie zu Entscheidungsprozessen (Management).

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass es uns gelingt, unser Führungsverständnis überzeugend vorzuleben, nachhaltig auszubilden und – wo notwendig – weiterzuentwickeln.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Wir verfügen mit dem Dienstreglement (DRA), den Reglementen Taktische Führung (TF 17), Operative Führung (OF 17), Militärstrategische Führung (MF 17), Führungs- und Stabsorganisation (FSO 17) sowie den Handbüchern der Führungsausbildung über hilfreiche und zeitgemässe Grundlagen zu allen Aspekten der Führung.


Über den Rezensenten

Oberst im Generalstab Dieter Baumann ist promovierter Theologe und hält einen Master of Science in National Resource Strategy der National Defense University, Washington, D.C.

Seit 2006 ist er als Berufsoffizier in verschiedenen Funktionen tätig; unter anderem war er Kommandant einer Kader- und einer Rekrutenschule. 2013 leistete er einen Friendensförderungsdienst im Kosovo als Kommandant des Swisscoy Kontingentes 28.

Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit dem Thema Militärethik und publizierte unter anderem ein Buch zu diesem Thema (www.militärethik.ch).

Über das «Buch des Monats»

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Buch des Monats: «About Face: Odyssey of An American Warrior» von David H. Hackworth

Was ist die Kernaussage des Buches?

Es handelt sich um die Memoiren des am höchsten dekorierten US-Infanteristen des 20. Jahrhunderts. Hackworth schildert seine militärische Laufbahn vom 15-Jährigen, der sich in die Post-WW2 US-Armee schlich, bis zum Militärberater der Südvietnamesischen Streitkräfte, der desillusioniert die militärische Pensionierung einer weiteren Karriere vorzog. Im Zentrum stehen seine Kommandierungen in verschiedenen Kommandantenfunktionen auf Zugs-, Kompanie- und Bataillonsebene im Korea- und Vietnamkrieg.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Die ungeschminkte und realistische Schilderung von Gefechtssituationen habe ich in vergleichbarer Qualität bisher lediglich bei Ernst Jüngers «In Stahlgewittern» gefunden. Man fühlt mit dem verwegenen Protagonisten, welcher es schafft durch Härte, Führung durch Vorbild, Selbstaufopferung und Kreativität die ihm unterstellten Einheiten über sich hinaus wachsen zu lassen. Dabei kämpft er fortwährend mit der Militärbürokratie und eckt bei Vorgesetzten an.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Die jeweilige Klassifizierung von anderen Personen, seien es Vorgesetzte, Peers oder Unterstellte, welche David H. Hackworth in seiner militärischen Laufbahn erlebte, erfolgt äusserst dichotomisch. Er zollt entweder hohen Respekt oder er lässt keinen Zweifel über seine Verachtung aufkommen. Die Realität dürfte um einiges komplexer sein. Auch müssen seine kontroversen Führungsmethoden im historischen, militärischen und sozialen Kontext betrachtet werden. Hackworth lässt auch verschiedentlich eine Faszination für das militärisch-formelle erkennen, die ich nicht teile.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

In erster Linie an die taktischen Führer der Zugs- bis Bataillonsstufe. Darüber hinaus dürfte das Buch auch Stabsoffizieren und Kadern in der militärischen Bürokratie zur Selbstreflexion verhelfen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Das Buch dient der Entwicklung einer gewissen Demut. Man erkennt, dass man bei allem Selbstbewusstsein (glücklicherweise) nie einem Hackworth das Wasser reichen könnte. Darüber hinaus hilft es einem Kommandanten, der sich hie und da über Bürokratie, vorgesetzte Stäbe und nicht nachvollziehbare Entscheide von Vorgesetzen aufregt, seine Energie stattdessen lieber für seine Unterstellten einzusetzen. Zu guter Letzt hilft das Buch, wenn man sich im Rahmen seiner Laufbahn mal in einer Stabsfunktion wiederfindet, sich immer vor Augen zu führen, dass die eigene Daseinsberechtigung der Soldat da draussen ist, welcher den Auftrag «auch unter Einsatz seines Lebens» erfüllen muss.

Welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie dieses Buch zu?

Das Buch deckt Aspekte des gesamten CLM-Modells ab. Im Zentrum stehen sicher die Interaktion von Command und Leadership. Hackworth wird mehrmals damit konfrontiert, neue taktische Ansätze zu entwickeln und gleichzeitig die entsprechende Einheit neu aufzustellen. («Out-Guerrilla the Guerrilla»).

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Während die Schweizer Armee eine an sich gut funktionierende Friedensarmee ist, tun wir uns schwer damit, uns ernsthaft mit den Anforderungen des Krieges an die Führung auseinanderzusetzen. «Auftragstaktik» wird zwar oft zitiert, aber leider nicht konsequent gelebt. Darüber hinaus ist die Kaderausbildung zu stark auf Prozessschulung ausgerichtet. Hier muss der angestrebte Kulturwandel mit aller Konsequenz stattfinden.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

In der Agilität der Miliz. Unsere nach dem Milizprinzip organisierte Armee erlaubt es rascher einen Kulturwandel zu vollziehen, als dies in einer reinen Berufsarmee möglich wäre.


Über den Rezensenten

Oberstlt i Gst Olaf Niederberger ist seit 15 Jahren Berufsoffizier mit unterschiedlichen Kommandierungen im In- und Ausland. Er verfügt über einen BA in Staatswissenschaften der ETH Zürich und einen MA in Defence Studies des King’s College London. Er führt seit 2020 das Gebirgsinfanteriebataillon 48 und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Nidwalden.

Über das «Buch des Monats»

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Buch des Monats: «The Mission, The Men, and Me» von Pete Blaber

Was ist die Kernaussage des Buches?

Pete Blaber arbeitete jahrelang als Führungsperson auf verschiedenen Ebenen der «Delta Force» und teilt in diesem Buch seine gesammelten persönlichen Lehren anhand von praktischen und konkreten Beispielen. Es geht um Auftragserfüllung, Vertrauen, Umgang mit Komplexität, Innovation und Lernen, Kommunikation und die Grenzen des Gehorsams.

Was gefällt Ihnen an diesem Buch am besten?

Man muss Blaber nicht mögen, um von seinen Beispielen inspiriert zu werden, um über häufige Probleme in hierarchischen Systemen nachzudenken. Dass er mit seinen Interpretationen diesen Denkprozess unterstützt und mit persönlichen Meinungen und Standpunkten in seinen eigenen Fallbeispielen nicht spart, ist grossartig.

Gibt es Punkte, in welchen Sie die Argumentation des Buches nicht unterstützen, oder Bereiche, die Ihrer Meinung nach zu kurz kommen?

Nein, das Buch ist in sich geschlossen. Natürlich ist es aber kein Geschichtsbuch. Die erwähnten Fallbeispiele bedürfen weiterer Recherche für Leser oder Leserinnen welche sich mehr für US Sonderoperationen (oder -einheiten) als für Führungslehren interessieren.

An wen richtet sich Ihre Empfehlung?

An alle, denen Prozesse alleine nicht genügen, und an alle, die schon immer dachten, dass persönliche Erkenntnisse nicht falsch sein müssen, nur weil sie der gängigen Lehre widersprechen.

Wie hat Ihnen dieses Buch im militärischen Führungsalltag geholfen?

Mehrmals. Beim Überschreiten von Grenzen, beim Ausrichten des persönlichen moralischen Kompasses, beim Umgang mit Komplexität und Ungewissheit, beim Entwickeln eines Produkts, bei zahlreichen anderen Problemstellungen.

Zu welchem Teilaspekt des Command-Leadership-Management-Modells ordnen Sie Ihr Buch zu?

Das Buch schlägt eine Brücke zwischen allen Bereichen. Es behandelt Vertrauen und Kommunikation (Leadership), Entscheidfindung und Entwicklung (Management) sowie inhaltlich-taktische Elemente wie Tarnung/Täuschung oder taktische Bewegungen (Command). Der Titel in sich symbolisiert quasi bereits das Command-Leadership-Management-Modell.

Wo sehen Sie zukünftig die grössten Herausforderungen für die Führung in der Schweizer Armee?

Dass wir nicht in der Lage sein werden, uns von lähmenden Ressourcen (zu grosse Stäbe und Verwaltungseinheiten) und lähmenden Prozessen (puristische Auffassungen von komplizierten Papiertigern mit unzähligen Kontrollparametern für die Ausbildung) zu trennen, weil wir eine oberflächliche Selbstwahrnehmung haben.

Und wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Chancen?

Bei den Berufsformationen, die tagtäglich in Echteinsätzen stehen (LW, KSK, EOD/KAMIR etc.) und in der Miliz, weil sie in der Lage ist, eigene (auch zivile) Erfahrungen mit den Prozessen zu verknüpfen, ohne dabei dogmatisch zu werden.


Über den Rezensenten

Reto Wegmann hat Informatik, Internationale Beziehungen und Militärwissenschaften studiert und am Lehrstuhl für Human Resource Management der Uni Luzern zur Leistungsfähigkeit von temporären Organisationen doktoriert. Er ist Mitinhaber und Sicherheits- und Krisenberater bei der Swiss Ibex GmbH und hat Lehraufträge bei der Uni Luzern. Er lebt mit seiner Familie in der Zentralschweiz und hat nun 52 Monate das Infanteriebataillon 20 kommandiert.

Über das «Buch des Monats»

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